Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Letzte Spur

Die Letzte Spur

Titel: Die Letzte Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
Vom Netzwerk:
diesen Worten folgten, gemeint hatte, an seiner Wut und seinem Hass buchstäblich zu ersticken.
    Und seltsamerweise war der Hass im Lauf der Jahre nicht schwächer geworden. Er hatte phasenweise tief in ihm geschlummert und sich nicht gerührt, aber dann war er wieder ausgebrochen, urplötzlich, ohne dass ein Auslöser bemerkbar gewesen wäre. Dann war Pit in der Stadt herumgefahren und hatte Ausschau nach ihr gehalten. So wie in den Wochen nach ihrem Verschwinden. Er hatte Gesichter studiert, Gestalten, hatte nach ihrer charakteristischen Art zu laufen gesucht. Wie besessen. In solchen Momenten hatte nichts sonst für ihn existiert. Da war nur sie wichtig gewesen und die unbedingte Notwendigkeit, sie zu finden.
    Ron hatte ihm oft erklärt, dass er verrückt sei. »Mensch, was willst du denn noch von der? Du warst doch sowieso fast durch mit ihr. Jetzt lauf doch nicht einer Frau nach, die dir am Schluss ohnehin nur noch auf die Nerven ging!«
    »Du bist auch nicht gerade zimperlich, wenn dir eine abhaut! «
    »Weil meine Mädchen mein Geschäft sind. Mein Kapital. Und ich eine Abschreckung schaffen muss, sonst sind ganz schnell alle über den Berg, und ich kann sehen, wo ich bleibe. Aber bei dir und Pamela ist das doch ganz anders. Vergiss sie endlich!«
    Es war aussichtslos, er konnte Ron nicht klarmachen, was in ihm vorging. Er konnte es ja nicht einmal sich selbst so recht erklären. Er wurde einfach mit der Kränkung nicht fertig, die sie ihm zugefügt hatte. Er vermochte die Wut, die dieses Verlassenwerden in ihm ausgelöst hatte, nicht unter Kontrolle zu bringen. Die Wut war wie ein Feuer, das nicht verlosch und immer neue Nahrung suchte. Und ihn verzehrte. Erst wenn er diese Sache in Ordnung gebracht hätte, würde er Ruhe finden.
    Und in sehr seltenen Momenten, manchmal in den frühen Morgenstunden, spürte er, dass es Schmerz war, was sich unter der Wut verbarg, ein unfassbarer, namenloser Schmerz, und er begriff, dass er seine Wut brauchte, um den Schmerz fernzuhalten. Weil er ihn nicht würde ertragen können.
    Er fand das verwirrend. Wieso Schmerz? Er hatte Pamela nicht geliebt. Er hatte sie begehrt und später lästig gefunden. Er verstand das alles überhaupt nicht. Er wusste nur immer, dass er sie finden musste.
    Und jetzt bin ich ganz dicht davor, sagte er sich und blies erneut seinen Atem in die kältestarren Hände.
    Er war so in Gedanken versunken, dass er für einige Momente die Straße nicht mehr im Auge gehabt hatte. Er schrak zusammen, als er plötzlich zwei Personen bemerkte, die das Haus betraten, in dem Marc Reeve wohnte. Ein Mann und eine Frau. Reeve und Hamilton? Natürlich konnte es sich auch um jemand ganz anderen handeln, es lebten schließlich noch mehr Parteien in dem Haus. Ärgerlicherweise hatte er nicht mitbekommen, ob sie geklingelt oder einen Schlüssel benutzt hatten. Er presste sein Gesicht ganz dicht an die Windschutzscheibe, aber das brachte ihn nicht viel weiter. Die beiden Leute verschwanden im Haus. Die Tür fiel hinter ihnen zu.
    Immerhin, es hatte sich endlich etwas bewegt. Die Frau war nicht Pamela gewesen, da war er sich sicher. Pamela war größer und hatte eine andere Körperhaltung. Nach vorn gezogene Schultern und zumeist vor der Brust verschränkte Arme. Sie hatte tolle, ungewöhnlich üppige Brüste, die sie immer zu verbergen suchte. Sie empfand Männer als Feinde, die sie lieber nicht auf sich aufmerksam machen wollte. Das war schon so gewesen, ehe sie sich mit Pit zusammentat. Ihr Vater hatte dafür gesorgt. Seit den ersten Tagen ihrer Pubertät war sie vor ihm nicht mehr sicher gewesen.
    Diese Frau eben hingegen hatte den Kopf hoch getragen und sich aufrecht gehalten, und selbst von hinten war ihr anzusehen gewesen, dass sie mit einer zumindest durchschnittlichen Menge an Selbstbewusstsein ausgestattet war. Könnte Hamilton, die Journalistin, sein. Er hasste Frauen dieses Typs.
    Er war jetzt aufmerksam und behielt das Haus scharf im Auge. Eine ganze Weile tat sich überhaupt nichts. Er schaute auf seine Uhr. Es war zwanzig vor zwölf. Er saß jetzt seit gut zwei Stunden hier. Wenn Reeve überhaupt daheim war, so hatte er es in seiner Wohnung sicher kuscheliger als er hier unten. Ein heißer Kaffee wäre zu schön. Er überlegte gerade, ob er seinen Beobachtungsposten kurz aufgeben, den nächsten Coffeeshop ansteuern und etwas später zurückkehren sollte, da öffnete sich die Tür des Hauses erneut, aber diesmal kamen zwei Menschen heraus . Ein Mann und eine

Weitere Kostenlose Bücher