Die Letzte Spur
Frau. Doch während er den Mann wegen dessen brauner Lederjacke als denjenigen erkannte, der ungefähr eine Viertelstunde zuvor angekommen war, war die Frau jetzt eine andere. Es war Pamela.
Er hätte sie auch ohne das neue Zeitungsfoto sofort erkannt, trotz der vielen Jahre, die vergangen waren, und obwohl sie sich wirklich sehr verändert hatte. Die kurzen dunkelbraunen Haare anstelle der taillenlangen blonden Mähne machten einen völlig anderen Typ aus ihr. Während er immer darauf bestanden hatte, dass sie sich sehr auffällig und schrill zurechtmachte, hatte sie sich jetzt in das andere Extrem geflüchtet, in die vollkommene Biederkeit. Schwarze Jeans, olivgrüner Parka, grauer Schal, schwarze, flache Schnürschuhe. Kein Gramm Schminke im Gesicht, wenn er das auf die Entfernung richtig erkannte. Sie sah fade und unattraktiv aus. Und älter, als sie war.
Gott, was ist aus der bloß geworden?, dachte er fassungslos.
Sein Herz raste. Er war sicher, dass sein Blutdruck in gefährliche Höhen gesprungen war. Ihm war schwindlig, für einen Moment hielt er sich instinktiv mit beiden Händen am Lenkrad fest, obwohl er saß.
Da war sie. Er sah sie plötzlich vor sich, wie sie an jenem Apriltag aus dem Wohnzimmer ihrer Wohnung gegangen war. Im Jeans-Minirock, auf silberfarbenen Stilettos. Die blonden Haare wippten, zum Pferdeschwanz gebunden, über ihren Rücken.
Nun schlich sie an einem Februartag aus einem Londoner Wohnhaus, nichts war geblieben von Minirock und Stilettes, und dennoch schloss sich der Kreis, und die Dinge schickten sich an, in Ordnung zu kommen.
Es drängte ihn, aus dem Auto zu springen, in zwei Sätzen die Straße zu überqueren, ihren Arm zu packen, dem Typ neben ihr ein paar in die Fresse zu hauen und sie dann mitzunehmen – an irgendeinen ruhigen Ort, an dem sie ganz allein waren. Und alles in Ruhe aufarbeiten konnten, was zwischen ihnen geschehen war.
Aber das wäre nicht klug. Nicht hier, mitten in London. Der Typ würde wahrscheinlich Gegenwehr leisten, herumbrüllen, Aufsehen erregen. Irgendjemand würde sein, Pits, Autokennzeichen notieren. Sie würden nicht weit kommen.
Pamela ließ einen unruhigen Blick die Straße hinauf-und hinunterschweifen, und Pit duckte sich sofort hinter sein Armaturenbrett. Faszinierend, sie hielt immer noch die Arme vor ihren Titten verschränkt. Sie war immerzu auf der Hut.
Wie recht sie doch im Grunde damit hatte.
Als er sich wieder hervorwagte, sah er, dass der Typ –Reeve? – ein direkt vor der Haustür geparktes Auto mit Londoner Nummernschild aufschloss und Pamela einsteigen ließ. Dann ging er um den Wagen herum, setzte sich hinter das Steuer. Er schnallte sich an. Er würde gleich losfahren.
Pit musste blitzschnell entscheiden, was er tun wollte.
Aber eigentlich war das keine Frage. Hinterher. Etwas anderes gab es nicht.
Als das Auto mit Pamela darin auf die Straße rollte, verließ auch Pit seinen Parkplatz. Er hatte schweißnasse Hände. Er durfte die beiden da vor ihm nicht verlieren, aber er durfte auch nicht zu dicht auffahren. Wenn Pamela aus irgendeinem Grund in den Rückspiegel blickte, konnte sie ihn erkennen. Er hatte sich nicht verändert, und er vermutete, dass er oft genug durch ihre Albträume gegeistert war. Sie kannte jeden Leberfleck in seinem Gesicht.
Jetzt musst du eine Glanzleistung bringen, Junge, sagte er zu sich.
Er war schon lange nicht mehr so wach und so gespannt gewesen.
Und so entschlossen.
5
Es war fast vier Uhr, als Marc und Rosanna bei New Scotland Yard saßen, im Büro von Inspector Fielder, und sie hatten das Gefühl, endlich den richtigen Mann vor sich zu haben.
Nachdem Cedric und Pamela mit unbekanntem Ziel aufgebrochen waren, war Marc in sein Büro gefahren, aber im Grunde nur um die Post abzuholen und die zuvor verschobenen Termine für diesen Tag endgültig abzusagen.
Dann hatten er und Rosanna die nächste Polizeidienststelle aufgesucht und waren an einem äußerst phlegmatischen Beamten hängengeblieben, der alles, was sie sagten, umständlich zu Protokoll nahm und die ganze Zeit über deutlich zu verstehen gab, dass er die Geschichte ausgesprochen abenteuerlich fand und nicht sicher war, ob er das alles ernst nehmen oder als Spinnerei abtun sollte. Irgendwann war Marc der Geduldsfaden gerissen, und er hatte verlangt, den Vorgesetzten des Beamten zu sprechen. Nach einigem Hin und Her war dies geschehen. Dann kam endlich Bewegung in die ganze Angelegenheit, vor allem nachdem der Name Jane
Weitere Kostenlose Bücher