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Die Letzte Spur

Die Letzte Spur

Titel: Die Letzte Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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machte Cedric den Vorschlag, in ein Dorf abzubiegen und eine Unterkunft zu suchen, aber jedes Mal wehrte Pamela ab. »Wir sind noch viel zu nahe an London!«
    »Wir sind bald in Bristol!«, sagte Cedric. »Ich denke wirklich, wir sind aus der Reichweite jedes nur denkbaren Londoner Gewaltverbrechers heraus!«
    Ihm wurde zunehmend klar, dass er einen schwierigen Part übernommen hatte. Er hätte sich gern mit Pamela unterhalten, um mehr über sie zu erfahren, aber jeden seiner diesbezüglichen Versuche blockte sie sehr rasch ab. Immer wieder betrachtete er sie verstohlen von der Seite. Sie saß tief in ihren Sitz gekauert, die Arme vor der Brust verschränkt, und das Stunde um Stunde. Den Kopf hatte sie zwischen die Schultern gezogen wie eine misstrauische Schildkröte. Sie machte den Eindruck eines Menschen, der sich am liebsten in Luft aufgelöst oder sich auf sonst irgendeine Art unsichtbar gemacht hätte. Die Angst umgab sie als eine fast sichtbare Aura, man meinte, sie fühlen oder sogar riechen zu können. Cedric glaubte zu spüren, dass die Angst längst ein integraler Bestandteil dieser Frau geworden war, so wenig je wieder von ihr abzuspalten wie ihre Organe. Selbst wenn alle Pit Wavers dieser Erde hinter Gittern säßen, würde die Angst bleiben. Pamela Luke konnte die Welt nur noch als einen Ort des Schreckens empfinden, wie ein Tier, das zu lange und zu schwer gequält worden ist, um das Gute überhaupt noch wahrnehmen zu können.
    Als die Dunkelheit kam und sie sich kurz hinter Glas-tonbury in Richtung Burnham-on-Sea befanden, beschloss Cedric, sich über Pamelas panisches Weiter! Weiter! hinwegzusetzen. Er hatte begriffen, dass sie von selber nie mehr anhalten würde.
    Er fuhr in eine Parkbucht und bremste. Er sah sie an, ihr bleiches Gesicht im rasch versickernden Tageslicht schien ihm wie die schmale Sichel des Mondes.
    »Pamela, wir werden uns hier nun ein Quartier suchen«, sagte er behutsam, aber mit einem Unterton, der deutlich machte, er würde nicht mit sich verhandeln lassen. »Wir könnten noch weiter bis Cornwall und dann quer hindurch fahren, aber irgendwann erreichen wir Land's End, und dann ist sowieso Schluss. England ist eine Insel!«
    Er konnte sehen, dass sie nickte. »Ich weiß. Es ist nur …« Sie zögerte. »Es ist nur so, dass ich eine solche Bedrohung spüre«, sagte sie dann. »Mein Herz rast. Irgendetwas …« Sie suchte nach Worten, um auszudrücken, was sie empfand, fand aber keine.
    »Pamela, ich kann das verstehen, aber was Sie umtreibt, ist sicher kein objektives Empfinden, sondern Ihre Angst«, sagte er. »Sie wissen doch, wie das ist: Wenn man Angst hat, hört und sieht man überall Anzeichen von Gefahren. Ich erinnere mich genau an die Zeit, als ich ein kleiner Junge war. Ich fürchtete mich ganz schrecklich vor dem Keller in unserem Haus. Und jedes Mal, wenn ich dort hinuntergehen musste, um mir etwas zu trinken zu holen, hörte ich seltsame Geräusche oder sah sogar glühende Augen in der Dunkelheit. Ich hätte jedem geschworen, dass ich mir das nicht einbildete, ich bin sogar richtig wütend geworden, wenn mein Vater etwas von meiner wilden Fantasie erzählte. Na ja, aber heute weiß ich natürlich, dass es Blödsinn war. Es gab keine Gespenster im Keller. Es gibt keinen Pit Wavers in unserer Nähe. Wir sind ganz dicht am Meer, und morgen zeige ich Ihnen den Strand von Burnham-on-Sea. Ich bin früher oft dort gewesen. Die Gegend ist wunderschön. Vielleicht vergessen Sie dort ein wenig Ihre Ängste!«
    Er merkte, dass er sie nicht wirklich mit seinen Worten erreichte, aber dass sie aufgeben würde, sich zu wehren. Nicht weil ihre Angst nachließ, sondern weil sie begriff, dass ihre Angst auch dann nicht kleiner würde, wenn sie bis ans andere Ende der Welt jagte.
    Es erwies sich als nicht einfach, eine Unterkunft zu finden, und die nun sehr schnell einfallende Nacht machte die Sache nicht leichter. Cedric fluchte in sich hinein, weil er sich nicht durchgesetzt und noch bei Tageslicht nach einer Pension gesucht hatte. Sie erreichten Cannington, wo es ein paar Bed & Breakfast -Unterkünfte gab, und sie waren jetzt im Februar auch nicht belegt, aber unglücklicherweise hatten die meisten erst gar nicht geöffnet. Die Leute waren um diese Jahreszeit nicht auf Besucher eingestellt und hatten keine Lust, jetzt am Abend noch rasch ein Zimmer in Ordnung zu bringen, weil zwei unerwartete Gäste hereinschneiten. Cedric erwog, weiter nach Bridgewater zu fahren und sich nach

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