Die Letzte Spur
einem Hotel umzusehen, aber Pamela begann schon wieder flach zu atmen.
»Nein, kein Hotel«, sagte sie flehentlich, und er gab es auf, ein logisches Gespräch mit ihr zu führen.
»Versuchen Sie es doch mal bei Mrs. Blum., die Straße runter, gleich an der Ecke«, riet eine Frau, bei der sie geläutet hatten, weil ein Schild an ihrem Haus auf freie Zimmer hinwies. Die Zimmer wurden jedoch gerade renoviert und waren nicht bewohnbar. »Mrs. Blum hat ein Haus etwas außerhalb mit vier Ferienapartments. Vielleicht können Sie da eines bekommen.«
Der Tipp erwies sich als nützlich. Mrs. Blum schien zwar nicht begeistert, an diesem kalten Abend ihre gemütliche Sofaecke verlassen zu müssen, aber die Aussicht auf einen unerwarteten Verdienst scheuchte sie schließlich doch auf die Beine.
»Auf welchen Namen?«, fragte sie misstrauisch, und Cedric beschloss, kein Risiko einzugehen.
»Mr. und Mrs. Jones«, erklärte er. »Wir sind auf der Durchreise, werden aber vielleicht ein paar Tage bleiben.«
»Komische Zeit, um zu reisen«, meinte Mrs. Blum kopfschüttelnd, »und es ist auch nicht klug, vorher nichts zu buchen. Die Apartments sind nicht geheizt, wissen Sie. Ist mir zu teuer, wenn doch keiner drin wohnt. Hätte ich Bescheid gewusst …«
»Wir kommen schon zurecht«, versicherte Cedric.
»Die Gasheizung funktioniert gut. Aber es wird eine Zeit lang dauern, bis es warm ist. Die Wände sind völlig ausgekühlt.«
Mrs. Blum fuhr mit ihrem Auto vorneweg, Cedric und Pamela folgten. Es ging über gewundene Landstraßen weiter ins Landesinnere hinein. Bald schon waren nirgendwo mehr Lichter zu sehen, die auf menschliche Behausungen hindeuteten. Immerhin begegneten ihnen hier und da andere Autos.
Pamela kroch immer tiefer in ihren Sitz. »Das liegt ja vollkommen einsam!«
Er reagierte leicht gereizt. »In eine größere Stadt und ein richtiges Hotel wollten Sie ja nicht. Wir können jetzt nicht mehr herumsuchen. Ich bin müde und will endlich ankommen. Wenn Sie die perfekte Unterkunft wollen, hätten Sie früher anfangen müssen, danach Ausschau zu halten. Bevor draußen rabenschwarze Nacht herrschte!«
Sie sagte nichts mehr, aber er nahm wahr, dass sie zitterte. Er hätte ihr gern für einen Moment beruhigend die Hand auf den Arm gelegt, wagte es aber nicht. Er hatte das Gefühl, dass jede Art von Berührung sie einschüchterte.
Irgendwann bog Mrs. Blum von der Landstraße ab und fuhr eine gewundene Auffahrt hinauf. Rechts und links standen hohe Bäume, die, obwohl noch winterlich kahl, doch so dicht standen, dass sie das Mondlicht schluckten und alles noch düsterer machten. Cedric fürchtete sich nicht, aber ihm war klar, dass dies ein ungeeigneter Ort für seine verstörte Begleiterin war.
Morgen suchen wir etwas anderes, nahm er sich vor.
Das Haus lag zwischen den Bäumen. Es war, soweit Cedric das erkennen konnte, modern und nicht besonders schön, ein lieblos hochgezogener, sehr funktionell erscheinender Bau mit flachem Dach, schmucklos und kalt.
»Mein Mann hat das Grundstück vor Jahren geerbt«, erklärte Mrs. Blum. »Wir haben das alte Haus abreißen lassen und dieses hier gebaut. Es hat vier Apartments. Wir haben uns damals ganz schön verschuldet, aber wir sind jeden Sommer komplett ausgebucht, und unsere Schulden sind bald abgetragen.«
Sie wirkte ausgesprochen selbstgefällig. Cedric mochte sie genauso wenig wie ihr Haus.
Er und Pamela folgten ihr in das Innere. Sie schloss gleich die erste Tür auf, die vom Hausflur abging, und betrat eine kleine Wohnung, die, wie Cedric rasch überblickte, aus zwei winzigen Schlafzimmern, einem Bad und einem Wohnzimmer mit Küchenzeile bestand. Billig eingerichtet und nur mit dem Notwendigsten ausgestattet. Und tatsächlich erbärmlich kalt. Egal. Für eine Nacht würde es gehen.
Mrs. Blum schraubte an einem Heizkörper herum, der an der Wand hing, und zu Cedrics Erleichterung erwachte er knirschend und ächzend zum Leben.
»Wird bald warm«, sagte Mrs. Blum. Sie händigte ihnen den Schlüsse! aus und ließ sich sogleich für die erste Übernachtung bezahlen.
»Morgen sehe ich nach Ihnen«, versprach sie, und es war klar, dass dieser Besuch vor allem dem Abkassieren der nächsten Nächte dienen würde. Cedric wusste, dass die Küste des Bristol Channel im Sommer von Touristen förmlich überschwemmt wurde. Nur so war zu erklären, dass diese unangenehme Frau das abgelegene Haus, das an sozialen Wohnungsbau erinnerte, offenbar ohne Probleme vermieten
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