Die Letzte Spur
Wohnhaus versuchte, den ihr unvertrauten Wagen in eine eigentlich zu kleine Parklücke zu bugsieren, klingelte ihr Handy. Sie fluchte, hielt in ihren fruchtlosen Bemühungen inne und kramte in ihrer Handtasche.
»Ja?«, meldete sie sich atemlos. Sie stand so, dass sie die Straße blockierte, und konnte nur hoffen, dass jetzt niemand auftauchte, der vorbeiwollte.
»Mrs. Hamilton? Fielder hier. Sagen Sie, haben Sie eine Ahnung, wo Miss Pamela Luke steckt?«
»Nein. Ist sie nicht im Hotel?«
»Sie hat es heute Morgen gegen acht Uhr verlassen. Jetzt ist es fast ein Uhr, und sie ist immer noch nicht wieder aufgetaucht.«
»Waren Sie mit ihr verabredet?«
»Nicht konkret. Aber es war ausgemacht, dass sie sich zu unserer Verfügung hält. Ich bin etwas verwundert. Selbst wenn sie ein paar Besorgungen erledigen wollte – das dauert doch nicht fünf Stunden! Und für Großeinkäufe dürften ihr die Mittel fehlen.«
Es fiel Rosanna auf, dass Fielder sehr ernst klang. Mehr als das – beunruhigt.
»Wo sind Sie im Augenblick?«, erkundigte er sich.
Sie mochte ihm nicht die Wahrheit sagen. »Ich will gerade Freunde hier in London besuchen«, erklärte sie, »und heute Abend oder morgen früh werde ich nach Taunton fahren. Ich möchte zu meinem Bruder.«
»Sie geben mir bitte Bescheid, bevor Sie nach Gibraltar zurückfliegen? Es kann sein, Sie werden noch gebraucht.«
»Ich rufe Sie auf jeden Fall an, Inspector.«
Er zögerte. »Mrs. Hamilton, Sie haben Miss Luke in Northumberland ausfindig gemacht und etliche Stunden mit ihr verbracht. Hat sie Ihnen irgendetwas erzählt, woraus sich Rückschlüsse auf ihren derzeitigen Aufenthaltsort ziehen ließen? Etwas, das Sie bislang vielleicht noch nicht erwähnten, weil es Ihnen bedeutungslos erschien?«
Rosanna überlegte. Sie begriff, worauf Fielder hinauswollte. »Sie meinen, sie ist verschwunden? Untergetaucht?«
»Wir können das nicht ausschließen«, sagte Fielder. »Ich will ganz offen sein: Es haben sich Ungereimtheiten in ihren Aussagen ergeben. Was den Fundort des Reisepasses von Elaine Dawson betrifft.«
»Im Schlafzimmer dieses Zuhälters. Malikowski, oder wie er heißt. Das hat sie mir und Anwalt Reeve erzählt.«
»Wir haben gesicherte Erkenntnisse, dass ihre Angaben über die Räumlichkeiten von Malikowski falsch sind. Vermutlich ist sie in besagtem Schlafzimmer nie gewesen. Dann könnte sie dort aber auch den Ausweis nicht gefunden haben.«
»Es sind fünf Jahre vergangen. Vielleicht …«
»Vielleicht hat sich in ihrer Erinnerung etwas verschoben, ja. Das wäre natürlich möglich. Aber es könnte auch sein, dass sie bewusst die Unwahrheit gesagt hat. Ich muss leider zugeben, dass ich auf Grund ihres plötzlichen Verschwindens geneigt bin, Letzteres anzunehmen.«
Rosanna sah im Rückspiegel ein Auto, das sich ihr näherte und nicht die geringste Chance hatte, an ihr vorbeizukommen. »Inspector, ich parke hier gerade völlig unmöglich«, sagte sie hastig, »ich muss Schluss machen. Es tut mir wirklich leid, aber im Augenblick habe ich keine Ahnung, wo Pamela stecken könnte. Wenn mir etwas einfällt, rufe ich Sie an!«
Der Autofahrer hinter ihr hupte ungeduldig. Sie klappte ihr Handy zu und manövrierte den Wagen mehr schlecht als recht in die Lücke. Er stand mit den Hinterreifen auf dem Gehsteig, die Nase ragte weit in die Straße. Zwei Passanten schüttelten den Kopf, als Rosanna ausstieg. Sie merkte, dass sie unter ihrem Pullover völlig verschwitzt war. Wegen des Einparkens? Oder hatte der Anruf des Inspectors sie so aufgeregt?
Während sie langsam die Treppen zu Marcs Wohnung hinaufstieg, dachte sie über die Bedeutung von Fielders Worten nach. Er schien überzeugt, dass Pamela log, was den Fundort des Passes anging. Aber welchen Grund sollte sie dafür haben?
Weil sie auf eine Art und Weise in den Besitz des Dokuments gelangt ist, die sie nicht offenlegen kann, überlegte Rosanna. Leichte Gänsehaut überlief sie. War Pamela Luke in dieser ganzen verworrenen Geschichte mehr als nur ein Opfer? War sie weit weniger unschuldig, als sie alle glauben machen wollte?
Weshalb war sie verschwunden?
Sie schloss die Wohnungstür auf und trat ein. Die Wohnung war so still, so kühl und so nichtssagend, wie sie sie in Erinnerung hatte. In der Küche stand eine benutzte Kaffeetasse in der Spüle, daneben lag das gewellte Backpapier, das von einem Muffin übrig geblieben war. Ein Muffin und eine Tasse Kaffee, offenbar Marcs übliches Frühstück.
Sie
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