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Die Letzte Spur

Die Letzte Spur

Titel: Die Letzte Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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Nerven kurz vor dem Kollaps standen. Ihr war zum Lachen zumute, gleichzeitig zum Weinen, und nicht mehr lange und sie würde schreien.
    Du darfst zusammenbrechen. Aber erst wenn du Cedric ins Krankenhaus gebracht hast!
    Sie hatte die nutzlose Pistole irgendwo hinter sich ins Gras geworfen, dann hatte sie all ihre Überwindung zusammengenommen, Pit unter den Armen gepackt und zur Seite gezogen. Ihn am Wegesrand liegen gelassen. Sie war in sein Auto gestiegen und hatte zu ihrer Erleichterung festgestellt, dass der Zündschlüssel steckte. Grauenhaft, wenn sie den toten oder schwer verletzten, blutenden Pit nun noch nach dem Schlüssel hätte absuchen müssen. Ihre Hände zitterten, erst beim vierten Versuch gelang es ihr, das Auto anzulassen. Sie hatte es ein Stück nach vorn gesetzt, weit genug, dass es nicht länger die Durchfahrt blockierte. Dann war sie ausgestiegen, zurück zu Cedrics Auto gehastet, hatte wieder eine halbe Ewigkeit gebraucht, um es zu starten. Während der ganzen Fahrt – erst später ging ihr auf, dass sie ohne Licht gefahren war – hatte sie auf ihn eingeredet.
    Mach dir keine Sorgen. Bald sind wir in einem Krankenhaus. Dir wird dann ganz schnell geholfen. Pit kann uns nichts mehr anhaben. Ich habe ihn erledigt, wie findest du das? Der liegt im Wald und ist tot, oder fast tot. Aber wir beide, wir schaffen es!
    Wie sie es dann tatsächlich geschafft hatte, wusste sie nicht mehr. Sie war planlos durch die Gegend gekurvt, hatte irgendwann nicht mehr die geringste Ahnung gehabt, wo sie sich eigentlich befand. Es ging nur darum, entweder in irgendeiner Stadt zu landen und ein Krankenhaus zu entdecken oder an einer Polizeiwache vorbeizukommen. Als sie schließlich in einer schlafenden Kleinstadt das flimmernde Schild erblickte, das auf eine Dienststelle hinwies, hätte sie vor Erleichterung weinen mögen.
    Von da an hatten andere die Regie übernommen. Dunkel entsann sie sich eines unbequemen Plastikstuhles im Polizeirevier, auf dem sie wenigstens eine Stunde lang gesessen hatte, einen Pappbecher mit Kaffee in der Hand, und still und unaufhaltsam geweint hatte.
    Sie trat erneut ans Fenster, schloss es diesmal. Es wurde zu kalt, und eine Erkältung konnte sie jetzt nicht brauchen.
    Sie hätte nie geglaubt, dass sie eines Tages noch einmal freundlich an ihren Bruder Liam denken würde. Er war ein brutaler Typ gewesen, hinterhältig und gemein, faul und versoffen, aber er war es auch gewesen, der seine kleine Schwester mit zum Schießstand genommen hatte. Liam war von Waffen besessen gewesen. Bevor ihn der Alkohol in ein Wrack verwandelte, hatte er jede freie Minute beim Training mit seiner Pistole verbracht. Pam, stets auf der Flucht vor ihrem Vater, der sie ab ihrem elften Lebensjahr lüstern beäugt hatte und ab ihrem dreizehnten Lebensjahr regelmäßig in ihr Bett gestiegen war, hatte Liam angefleht, sie mitzunehmen. Er behandelte sie oft scheußlich, aber er begrapschte sie wenigstens nicht. Irgendwann, so hatte sie jedenfalls den Eindruck gehabt, hatte es ihm ein wenig Spaß zu machen begonnen, sie in seinem liebsten Hobby zu unterrichten, und in ihrem Eifer, ihm zu gefallen, hatte sie sich viel Mühe gegeben und war schließlich richtig gut gewesen. Sogar Liam hatte sie hin und wieder gelobt, und sie hatte gemerkt, dass er seinen Kumpels gegenüber sogar ziemlich stolz auf seine Schwester gewesen war.
    »Die ist ein Naturtalent«, hatte er geprahlt, »am Ende landet die mal bei den Bullen, so klasse, wie die das macht!«
    Bei den Bullen war sie nun tatsächlich gelandet. Aber anders, als es Liam gemeint hatte. Gern hätte sie ihn wissen lassen, dass im Grunde er es war, der ihr das Leben gerettet hatte, aber zuletzt hatte sie ihn vor fast zwölf Jahren sturzbetrunken im Eingang einer Liverpooler Ladenpassage gesehen, zusammengerollt schlafend, stinkend vor Dreck, aufgedunsen vom Schnaps. Er hatte die Flasche umklammert gehalten, und als sie ihn weckte, hatte er sie nicht erkannt. Danach hatte sie nie wieder von ihm gehört.
    Dass Pit eine Pistole besaß, hatte sie herausgefunden, kurz nachdem sie bei ihm eingezogen war. Sie hatte in einem Schuhschrank gelegen, weit hinten, verborgen hinter alten Gummistiefeln, Baseballschlägern und muffig riechenden Wollschals. Da sie vermutete, dass sie dort nicht hätte herumkramen dürfen, und bereits Bekanntschaft mit seinen Tobsuchtsanfällen gemacht hatte, erwähnte sie ihre Entdeckung ihm gegenüber nicht. Aus einer unbestimmten Vorsicht heraus ließ sie

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