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Die Letzte Spur

Die Letzte Spur

Titel: Die Letzte Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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Verliebtheit in Marc nicht gerade dazu führte, sie objektiv sein zu lassen, aber sie war auch nicht bereit, Jacquelines Behauptungen als allein gültige Wahrheit stehen zu lassen. Die Frau kam ihr ein wenig überspannt vor. Setzte sich in dieses gottverlassene Dorf und malte Aquarelle. Zwang ihrem Sohn ein Leben in dieser Gegend auf, wobei sie einen dramatischeren, krasseren Unterschied zu seinem früheren Leben kaum hätte herstellen können. Sie mochte begabt sein – aber neigten nicht gerade begabte Künstler dazu, sich in eine Fantasie weit hineinzusteigern? Marc war selten zu Hause gewesen, hatte Frau und Sohn emotional verhungern lassen, das hatte er selbst unumwunden zugegeben. Musste er deshalb auch durch fremde Betten gewandert sein? Jacqueline war in ihren Anschuldigungen recht unkonkret geblieben. Sie hatte von Frauen gesprochen, die sich ihm scharenweise an den Hals geworfen hatten, aber es war nicht ein Name oder eine nähere Beschreibung erfolgt, in der Art: Es gab da eine blonde Kollegin, mit der war er monatelang zusammen oder Immer wenn ich bei meiner Mutter war, trieb er es mit der Frau, die drei Häuser weiter wohnte . Wurde man nicht genauer, wenn man schon so offen war wie Jacqueline? Und dann hatte sie schließlich eingeräumt, sehr belastet gewesen zu sein durch das lange Dahinsiechen ihrer Mutter – was ja nur normal war. Ich war keineswegs nervlich zerrüttet , hatte sie gesagt, aber eine Frau, die regelmäßig von London nach Cambridge fuhr, um dort hilflos das Leiden eines geliebten Menschen mitanzusehen, die deswegen häufig und heftig weinte, war genau das – nervlich zumindest angeschlagen. Sie mochte sich von ihrem hart arbeitenden Mann in dieser Zeit allein gelassen gefühlt haben, was sie bestimmt noch trauriger und elender gemacht hatte und vielleicht ungerechter. Es konnte so sein, und es konnte ganz anders sein. Es standen zwei Aussagen gegeneinander, und Rosanna hatte die unklare Empfindung, dass sie weder für die eine noch für die andere je einen Beweis finden würde.
    Sie schob ihre Tasse zurück und erhob sich, zum Zeichen, dass sie die Geduld ihrer Gastgeberin nicht länger in Anspruch zu nehmen gedachte. »Ich weiß, dass Sie sehr beschäftigt sind«, sagte sie, »und ich möchte Sie nicht länger stören. Ich danke Ihnen, dass Sie mir gegenüber so offen waren.«
    Auch Jacqueline stand auf, die brennende Zigarette zwischen den Fingern. »Es hat mich gefreut, Sie kennen zu lernen«, sagte sie, und es klang aufrichtig, »und ich wünsche Ihnen wirklich viel Glück mit Marc. Mehr Glück, als ich hatte.«
    »Es gibt wohl gar keine Chance, eine Versöhnung mit Josh herbeizuführen? Ich glaube, dass Marc keinen größeren Wunsch hat.«
    Jacqueline zuckte bedauernd die Schultern. »Ehrlich gesagt, ich glaube nicht, dass ich da viel erreichen werde. Ich werde Josh erzählen, dass sich die Geschichte um Elaine Dawson geklärt hat, aber wie ich schon sagte, das war ohnehin ein eher vorgeschobener Grund. Vielleicht muss er älter werden, um sich seinem Vater wieder anzunähern. Ich würde das durchaus begrüßen.«
    »Ja«, sagte Rosanna bedrückt. Ihr schöner Traum, Marc eine herzerweichende Versöhnung mit seinem Sohn zu organisieren, war geplatzt. Hatte sich ihr Weg nach Binfield Heath nun überhaupt gelohnt? Sie hatte einiges erfahren, was sie lieber nicht erfahren hätte. Wenn es Wahnvorstellungen gewesen waren, denen Jacqueline Reeve erlegen war, so konnten sich diese durchaus als ansteckend erweisen. Ganz gleich, was geschah, Jacquelines Anschuldigungen würden als kleiner, nagender Zweifel in Rosannas Kopf bleiben, leise bohrend und immer dann präsent, wenn Marc ihr irgendwelche Ungereimtheiten präsentierte. Sie wusste plötzlich, dass es besser gewesen wäre, diesen Ausflug zu unterlassen.
    Im Hinausgehen fragte sie: »War das eigentlich für Marc ein typisches Verhalten? Eine fremde, verzweifelte Frau mitzunehmen und ihr ein Quartier anzubieten?«
    Jacqueline verzog das Gesicht. »Wäre die Frau attraktiv gewesen, hätte ich gesagt, es war ein höchst typisches Verhalten für Marc. Aber ich habe später ein Bild von ihr in der Zeitung gesehen. Danach muss es von seiner Seite aus reines Mitleid gewesen sein.«
    »Eigentlich ein schöner Charakterzug.«
    »Ich habe nie behauptet, dass Marc ein durch und durch schlechter Mensch ist«, sagte Jacqueline, »ich habe mich auch einmal sehr in ihn verliebt. Er konnte von großer Wärme und Herzlichkeit sein. Ich denke, diese

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