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Die Letzte Spur

Die Letzte Spur

Titel: Die Letzte Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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leidenschaftlichen Nächten. Finden Sie den ganzen verdammten Alltag mit Marc Reeve selbst heraus!
    Das würde ich jetzt an ihrer Stelle sagen, dachte sie.
    Aber Jacqueline sagte es nicht. Sie griff nach der nächsten Zigarette. Ohne sie anzuzünden, hielt sie sie zwischen den Fingern. Leise sagte sie: »Das Leben mit Marc war die Hölle, Rosanna. Für mich und damit auch für Josh. Ich glaube nicht, dass Josh seinem Vater verzeihen möchte, was dieser seiner Mutter angetan hat.«
     
    3
     
    Das Zimmer war eng und mit wenig Geschmack eingerichtet, aber sie fand es besser als das großkotzige Hotel in London. Dort hatte sie das Gefühl gehabt, verrückt werden zu müssen. Die Fenster hatten sich nicht öffnen lassen, sie war mit der Regulierung der Heizung nicht zurechtgekommen, und sie hatte sich von dem Luxus dort erschlagen gefühlt. Allein das riesige, marmorverkleidete Bad mit der Spiegelwand war überwältigend gewesen. Wenn sie kurz auf die Straße wollte, um frische Luft zu schnappen, hatte sie eine Hotellobby durchqueren müssen, die sie an die Abfertigungshalle eines Flughafens erinnerte. Viele Menschen, viele Stimmen, neugierige Blicke, hin und her eilendes Personal. Alles laut und hektisch, der Kopf hatte ihr gedröhnt.
    Und dann dieser Inspector Fielder. Er war nett gewesen, hatte ihr Kaffee und Mineralwasser angeboten und freundlich mit ihr gesprochen. Aber sie hatte seine Augen nicht gemocht, diesen kühlen, unbestechlichen Blick. Seine Fragen hatten ihr verraten, wie viel Misstrauen er ihr gegenüber empfand. Er glaubte ihr nicht, was den Fundort des Passes anging. Er glaubte ihr nicht, dass sie nie zuvor im Leben eine Waffe in den Händen gehalten hatte. Er lächelte sie liebenswürdig an und stellte dabei kalte, unnachgiebige Fragen. Bohrte immer weiter nach. Ließ sie keinen Moment in Ruhe.
    Sie hatte es nicht mehr ausgehalten. Das Hotel nicht und das Vernehmungszimmer schon gar nicht. Vielleicht hatte sie zu lange auf der Flucht gelebt. Zu lange weltabgeschiedene Dörfer aufgesucht. Zu lange den Kontakt mit anderen Menschen gemieden.
    Sie trat an das niedrige Fenster, stieß die Flügel auf. Neblige, kalte Luft strömte ins Zimmer. Sie atmete tief. Unter ihr lag eine Wohnstraße, ganz still, kein Mensch war zu sehen. Sie bemerkte ein Eichhörnchen, das von einem Garten in den nächsten flitzte. Sonst regte sich nichts. Die Stille war Balsam für ihre Seele.
    Cedric hatte ihr die Pension genannt. Ihr zwanzig Pfund in die Hand gedrückt und sie zum Übernachten hierhergeschickt. Sie wäre gern bei ihm im Krankenhaus geblieben, aber sie hatte eingesehen, dass die Stationsschwester etwas dagegen haben würde.
    »Willst du, dass sie dir unangenehme Fragen stellt und am Ende die Polizei holt?«, hatte Cedric gefragt, und natürlich hatte sie das nicht gewollt.
    Die Wirtin hatte ihr das Zimmer ohne viel Hin und Her gegeben, aber am Morgen, bei einem üppigen Frühstück – von dem Pamela kaum etwas angerührt hatte –, hatte sie sich als ziemlich neugierig und indiskret entpuppt. Pamela begriff, dass sie auch hier rasch fort musste. Sie sah abgerissen aus und hatte kein Gepäck – die perfekte Kombination, sich verdächtig zu machen und die Fantasie der Menschen anzuheizen.
    »Mein Vater holt mich mittags aus dem Krankenhaus ab«, hatte Cedric gesagt, »wir kommen dann bei dir vorbei und nehmen dich mit. Du kannst erst mal das Zimmer meiner Schwester haben. Aber, Pamela, eins muss dir klar sein: Weder ich noch mein Vater werden dich vor Scotland Yard verstecken. Du wirst dich dort melden müssen. Du wirst ihnen erzählen, was du mir erzählt hast!«
    Sie wandte sich vom Fenster ab. Sie fror, aber zugleich tat ihr die frische Luft gut, sie mochte sie nicht wieder aussperren. Sie hätte nicht sicher zu sagen gewusst, ob Cedric ihr geglaubt hatte. Sie hatte ihm alles erzählt, und er hatte ernst und ohne sie zu unterbrechen zugehört.
    »Warum hast du das nicht gleich gesagt?«, hatte er hinterher gefragt, und sie hatte ihm klarzumachen versucht, dass sie gefürchtet hatte, in einen bösen Verdacht zu geraten.
    »Das bist du nun noch mehr«, hatte er gesagt.
    Richtig. Sie hatte einen Fehler gemacht. Sie brauchte ihn nicht, dass er ihr das sagte. Sie brauchte ihn, dass er ihr half.
    An der Wand ihres Zimmers hing eine altmodische Porzellanuhr, die mit grünen, rankenden Blättern verziert war und zwei Pendel hatte, die aus dunkellila bemalten Weintrauben bestanden. Wo, um alles in der Welt, bekam man so

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