Die Letzte Spur
waren besser geworden, und er hatte heute Morgen schon etwas weniger Medikamente gebraucht als noch am Vortag.
Draußen drängte mit Macht der Frühling herbei. Drinnen tickte leise eine Uhr. Von der Straße waren an diesem Samstagvormittag keine Geräusche zu hören.
Cedric und Pam warteten auf die Polizei.
Victor hatte sich taktvoll zurückgezogen und war auf den Markt gegangen, um für das Wochenende einzukaufen.
Eine Dreiviertelstunde zuvor hatte Pam eingewilligt, Inspector Fielder zu verständigen, und Cedric hatte gleich dort angerufen.
Fielder, den er persönlich erreichte, hatte ihn sofort angebellt: »Sie ist bei Ihnen? Wie lange schon?«
Cedric hatte keine Lust zu lügen. »Seit Mittwochabend.«
»Und da melden Sie sich erst jetzt ?«
»Sie hat Zeit gebraucht. Und ich bin kein Denunziant.
Jetzt rufe ich Sie mit Pamelas Einverständnis an, und das war mir wichtig.«
Fielder war wütend, aber er schien selbst zu merken, dass dies nicht der Zeitpunkt war, Cedric die Leviten zu lesen. »Sind Sie jetzt bei Ihrem Vater daheim?«, vergewisserte er sich. »In Ordnung. Ich schicke jemanden von der Polizei in Taunton vorbei. Man wird Miss Luke unverzüglich nach London bringen.«
»Ja, damit haben wir gerechnet«, sagte Cedric förmlich, nannte Fielder die genaue Adresse und legte den Hörer auf.
»Mach dir keine Sorgen«, sagte er nun, »du sagst die Wahrheit, und du wirst Fielder damit überzeugen. Da bin ich sicher.«
»Ich nicht. Ich habe ihn einmal angelogen. Er hat keinen Grund, mir diesmal zu glauben.« »Dir wird nichts passieren.«
Sie sah sehr traurig aus. »Schade, dass du nicht mitkommen kannst.«
Er schüttelte bedauernd den Kopf. »Ich würde es sofort tun. Aber die Strecke ist zu weit, und ich bin leider noch immer sehr gehandicapt.«
»Klar. Du musst dich schonen. Es ist schlimm genug, was du wegen mir aushalten musst. Ich wünschte, ich hätte dich mit dieser Begegnung mit Pit verschonen können. Aber …«, sie hob in einer hilflosen, bedauernden Geste beide Arme, »am besten wäre, ich hätte mich nie mit ihm eingelassen. Von diesem Moment an war ein Drama vorprogrammiert.«
»Er war nicht gerade eine glückliche Wahl«, meinte Cedric. Nachdenklich fügte er hinzu: »Ich wüsste gern, was dich zu ihm hingezogen hat. Weshalb du glauben konntest, von ihm geliebt zu werden. Er war so brutal. So gestört. So unberechenbar. Und man hat ihm das sofort angesehen.«
Sie zuckte die Schultern. »Er gab mir das Gefühl, dass ich ihm wirklich wichtig war. Das hatte mir vorher nie jemand gegeben. Für mich fühlte sich das … ganz besonders an. Verrückt, nicht?«
»Nein. Verrückt wohl nicht. Aber absolut fatal.«
Sie nickte langsam, dann wischte sie sich mit beiden Händen über die Augen, als versuche sie, das Bild ihres einstigen Peinigers von ihrer Netzhaut zu löschen. Übergangslos fragte sie: »Wie lange bleibst du, ehe du nach New York zurückkehrst?«
»So lange, bis die Ärzte grünes Licht geben«, sagte Cedric. »Ich bin ganz froh, noch eine Weile hier zu sein. Meinem Vater tut es gut.«
»Er ist sehr einsam.«
»ja.«
»Und diesen Freund wirst du auch besuchen? Den, der im Rollstuhl sitzt? Der an dem Abend bei dir im Krankenhaus war, als ich zu dir kam?«
»Geoffrey. Geoffrey Dawson. Elaines Bruder. Ja, den werde ich besuchen. Er ist auch sehr einsam.«
»Woher kennt ihr euch?«
»Von … o Gott, wir kennen uns einfach ewig. Wir sind beide hier aufgewachsen. Wir haben schon im Sandkasten zusammen gespielt. Wir sind zusammen zur Schule gegangen. Zusammen zur Universität. Wir waren unzertrennlich. Bis … der Unfall passierte.«
»Was ist da passiert?«, fragte Pam.
Er zögerte. Er sprach nie darüber. Niemals. Und jeder in seiner Umgebung respektierte das. Aber das konnte Pam nicht wissen.
»Es war … ich glaube, ich möchte nicht darüber reden«, sagte er steif.
Sie sah ihn aufmerksam an, entgegnete jedoch nichts. Cedric wandte mühsam den Kopf zum Fenster. Draußen lag die Straße im hellen Sonnenlicht. Still und leer. Im Vorgarten schossen die Narzissen aus der Erde. Noch war niemand zu sehen oder zu hören.
Pam war seinem Blick gefolgt. »Falls ich nicht eingebuchtet werde«, sagte sie, »kann ich dich dann einmal in New York besuchen?«
Er war froh, dass sie das Thema Geoffrey verlassen hatte.
»Klar«, sagte er, »ich würde mich freuen.«
»Ich bin noch nie in New York gewesen. Noch nie in den Staaten überhaupt. Ich habe immer geglaubt, ich schaffe es
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