Die Letzte Spur
nicht, dort einmal hinzukommen.«
»Du wirst New York mögen. Für mich ist es die beste Stadt überhaupt.« Cedric sah noch einmal hinaus, sein Blick umfasste die ruhige Straße, die kleinen Häuser auf der gegenüberliegenden Seite, die hinter Steinmäuerchen und Ginsterbüschen träumten, und die Narzissen, die seine Mutter gepflanzt, gehegt und gepflegt hatte. Nie war es ihm klarer geworden als in diesem Moment, diese dörfliche, friedliche Idylle vor Augen. Trotz des Gefühls, zu Hause zu sein, und trotz des Zaubers, den diese Empfindung auf ihn ausübte, wurde seine Sehnsucht nach New York so gewaltig, dass er in das nächste Flugzeug hätte springen mögen.
»Es ist der einzige Ort, an dem ich leben möchte«, sagte er.
Sie nickte, stand auf und trat an das Fenster.
»Es ist so schön hier«, meinte sie, »du musst dich hier sehr geborgen gefühlt haben als Kind.«
Da hatte sie recht. Geborgenheit hatte er im Überfluss erfahren und in einer Selbstverständlichkeit, dass er sie vielleicht oft nicht zu schätzen gewusst hatte. Kingston St. Mary und das Leben dort hatte er oft als eng empfunden und sich selten Gedanken darüber gemacht, wie viel Stabilität ihm die Fürsorge und gleichmäßige Liebe und Zuwendung seiner Eltern vermittelt hatte. Oft hatte er in den vergangenen Jahren geglaubt, ein Blatt im Wind zu sein, hatte sich gequält und angeklagt, weil er weder beruflich noch in seinem Privatleben in der Lage war, Beständigkeit in sein Dasein zu bringen. Wenn er nun jedoch das Gesicht Pamelas betrachtete, die tief verhaftete Angst in ihren Augen sah, wurde ihm klar, wie viel Kraft er tatsächlich aus seiner friedlichen, glücklichen Kindheit schöpfte. Er mochte viele falsche Wege beschritten haben und sich häufig unsicher fühlen, was seine Zukunft anging, aber er begriff, dass trotz allem ein gesundes Urvertrauen in das Leben Grundlage seines Wesens war, ihn getragen hatte und weiterhin tragen würde. Das Gefühl, letztlich dem Leben gewachsen zu sein, war in ihm so sicher verankert, wie es in Pamela das Gefühl war, mit dem Leben dem unbarmherzigsten Feind überhaupt gegenüberzustehen. Vom ersten Atemzug an hatte sie nur Bedrohung gekannt. Und er nur Liebe.
Einen flüchtigen Augenblick lang fragte er sich, was zwischen ihnen sein würde, wenn sie wirklich nach New York käme. Sie war anders als alle Frauen, die er je gekannt hatte, und er mochte sie. Sie interessierte ihn mehr, als es andere Frauen getan hatten, und es konnte sein, dass sich dieses Interesse in Faszination wandelte.
Er würde abwarten. Die Frage war, ob sie überhaupt käme. Es würde auch von den polizeilichen Ermittlungen abhängen, davon, ob ihre Geschichte den Befragungen Scotland Yards standhalten konnte.
Er merkte, wie sehr er das hoffte. Wie sehr er hoffte, dass sie ihn nicht belogen hatte.
Er hörte, dass sich ein Auto näherte, langsamer wurde, anhielt.
Pamela wandte sich vom Fenster ab. Sie war sehr blass. »Das sind sie«, sagte sie, »die Polizei.«
Sie wirkte auf einmal völlig verloren. Draußen schlug eine Autotür.
Cedric erhob sich mühsam aus seinem Sessel. Es tat noch immer höllisch weh, wenn er sich bewegte. Er verfluchte seine Langsamkeit. Er kam sich vor wie ein uralter Mann.
»Ich habe Angst«, sagte Pamela.
»Ich weiß«, sagte er. Sie standen einander gegenüber. Eine zweite Autotür schlug. Es mussten zwei Beamte sein, die eintrafen.
»Wäre es wirklich okay für dich, wenn ich nach New York käme?«, fragte Pam. Ihre Augen waren riesengroß. Irgendwie schien viel für sie von seiner Antwort abzuhängen.
»Ich würde mich freuen«, betonte er und merkte, dass es wirklich so war. Er freute sich schon jetzt, dass sie kommen wollte. »Ehrlich, Pam, ich warte darauf.«
Das Gartentor quietschte.
»Also dann«, sagte Pam.
Er hatte plötzlich das Bedürfnis, ihr etwas zu schenken. Irgendein … Pfand, etwas, das sie beide verband, wenn sie jetzt nach London musste, um sich von Inspector Fielder in die Mangel nehmen zu lassen. Wenn er wieder nach New York flog und sich der ganze Atlantik zwischen ihnen erstreckte, wenn die Nähe zwischen ihnen beiden in diesem kleinen Zimmer an einem sonnigen Februartag in immer weitere Ferne rückte.
»Es war im ersten Jahr in der Uni«, sagte er hastig. »Geoff und ich waren beide achtzehn Jahre alt. Ein Freund hatte Geburtstag. Wir waren eingeladen.«
Schwere Schritte draußen auf dem Gartenweg.
Pamela war völlig auf ihn konzentriert.
»Die Eltern dieses
Weitere Kostenlose Bücher