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Die Letzte Spur

Die Letzte Spur

Titel: Die Letzte Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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mir unten im Trader Vic's etwas essen?«
    »Gern. Bis später.« Sie wartete, bis er die Tür hinter sich geschlossen hatte, dann wandte sie sich wieder dem Telefon zu. Sie verbot sich jeden weiteren Gedanken an Dennis, der jetzt wahrscheinlich schmollend in seinem Büro saß und darauf wartete, dass sie erneut anrief und um gut Wetter bat, und tippte die Nummer von Marc Reeve ein, die ihr Nick gegeben hatte. Halb und halb hoffte sie, der Anwalt werde sich nicht melden, denn sie fürchtete seine Reaktion, die von Wut über Ärger bis hin zu endlosem Lamento reichen konnte, aber Reeve hob nach dem zweiten Läuten schon ab.
    »Ja? Reeve?«, sagte er.
    Sie räusperte sich. »Äh … ja, Mr. Reeve, guten Tag, hier spricht Rosanna Hamilton …«
    »Ja?« Er klang freundlich und geduldig. Wahrscheinlich vermutete er eine potenzielle Mandantin.
    »Ich bin Journalistin. Ich arbeite derzeit frei für Cover . Das ist ein Magazin, das …«
    »Danke. Ich kenne Cover .« Das kam schon weniger freundlich. »Und was kann ich für Sie tun?« Seiner Stimme war anzuhören, dass er ahnte, was nun folgen würde.
    Sie fühlte sich immer unwohler. »Ich schreibe eine Serie. Über Menschen, die spurlos verschwunden sind, deren Schicksal nie geklärt werden konnte. Und …«
    »Und dazu zählt auch Elaine Dawson.« Er klang plötzlich resigniert. »Mein Gott, vor ziemlich genau fünf Jahren war ich so idiotisch, einer fremden, in Tränen aufgelösten jungen Frau eine Übernachtung in meiner Wohnung anzubieten, und Sie können kaum ahnen, wie oft und wie heftig ich das bisher bereut habe! Heute nehme ich vorsichtshalber nicht mal mehr Anhalter mit, aber das nützt nun auch nichts mehr.«
    »Das kann ich gut verstehen, Mr. Reeve. Ich meine … dass Sie verbittert sind, und …«
    »Ich bin nicht verbittert«, unterbrach er sie, »ich habe mir ziemlich viel Mühe gegeben, genau dies nicht zu werden. Aber die Geschichte damals hat mein Leben vollkommen durcheinandergebracht, und, ehrlich gesagt, ich habe wirklich keine Lust, das alles noch einmal aufzukochen und mich schon wieder in den Schlagzeilen der Boulevardpresse vorzufinden.«
    »Es geht nicht um Schlagzeilen. Es geht einfach um verschiedene Fälle und darum, was ein solches mysteriöses Verschwinden, dessen Umstände nie aufgeklärt werden, mit den Menschen macht, die in der einen oder anderen Weise davon betroffen sind. Im Fall Dawson ist das natürlich vor allem Elaines Bruder Geoffrey, der, wie Sie vielleicht wissen, schwer behindert ist und …«
    Er unterbrach sie erneut. »Danke, Geoffrey Dawson kenne ich zur Genüge. Und ich weiß auch, dass er in dem Wahn lebt, ich hätte seine Schwester damals ermordet. Er hat mich telefonisch terrorisiert, bis ich eine einstweilige Verfügung gegen ihn erwirkt habe, aber das hat auch wenig genützt. Na ja, inzwischen hat er es aufgegeben, mich zu drangsalieren. Was er noch immer an wirren Gedanken hegt, weiß ich nicht.«
    Rosanna begriff, dass er genau das war, was er offenbar so sehr zu vermeiden gesucht hatte: verbittert und auf gewisse Weise unversöhnlich.
    Sie versuchte es trotzdem noch einmal. »Genau dafür könnten Sie meinen Artikel nutzen, Mr. Reeve. Als eine Plattform für Ihre Sicht der Dinge, für Ihren Standpunkt. Sie können den Verlauf des Abends noch einmal schildern und möglicherweise dabei auch Missverständnisse ausräumen, die nie geklärt wurden. Mir liegt wirklich an einer fairen Berichterstattung, nicht daran, irgendjemandem etwas anzuhängen, was im Bereich nebulöser Vermutungen liegt. Ich kann Ihnen auch anbieten, Ihren Namen nicht zu nennen und stattdessen einen anderen Namen zu benutzen.«
    »Es wird genug Leser geben, die sofort wissen, dass ich gemeint bin«, sagte Reeve, »nein, Mrs. Hamilton, tut mir leid. Ich stehe nicht zur Verfügung.«
    »Würden Sie mich trotzdem zu einem Gespräch empfangen? Vielleicht kann ich Ihnen dabei noch einmal genau erklären, was ich …«
    »Mrs. Hamilton …«
    Sie hatte den Eindruck, dass er jeden Moment das Gespräch abbrechen würde.
    »Wissen Sie, schlafen Sie doch eine Nacht darüber und überlegen Sie sich alles in Ruhe«, sagte sie hastig, »so weit könnten Sie mir doch entgegenkommen, oder? Mein Anruf jetzt war sicherlich etwas überfallartig. Darf ich Ihnen meine Nummer geben? Dann könnten Sie mich morgen zurückrufen und mir Ihre Entscheidung mitteilen.«
    »Ich glaube nicht, dass sich meine Haltung ändern wird«, sagte Reeve, aber er notierte ihre Handynummer.

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