Die Letzte Spur
Geoffrey waren dicke Freunde und zugleich die Anführer von uns allen. Sie bestimmten, was gespielt wurde, und gaben den Ton an. Elaine war ein ganzes Stück jünger als ich, und daher hatten wir persönlich nicht so viel miteinander zu tun, aber sie gehörte einfach dazu. Ich meine… sie war in den Jahren meiner Kindheit ein Teil meines Lebens. Ich würde wirklich gern wissen, was mit ihr geschehen ist.«
»Das kann ich verstehen«, sagte Nick, »aber versteif dich nicht auf diesen Gedanken. Du wirst es nicht herausfinden. Die Polizei hatte keine Spur, und inzwischen sind auch noch fünf Jahre vergangen. Manchmal muss man mit ungelösten Rätseln leben.«
»Das ist schwierig.«
»Du schaffst das«, meinte Nick optimistisch und winkte dem Kellner. »Ich muss zurück in die Redaktion. Was tust du als Nächstes?«
»Ich gehe ins Hotel und rufe meinen Mann an. Ich muss ihm sagen, dass ich den Auftrag annehme und länger in England bleibe.«
»Deiner Miene nach zu urteilen, wird das ein schwieriges Gespräch.«
»Er hat mich lieber daheim in Gibraltar.«
»Was, wenn ich das sagen darf, eine gewisse Verschwendung von Fähigkeiten darstellt. Du warst eine gute Journalistin.«
Sie lächelte. »Und ich werde dich auch diesmal nicht enttäuschen, Nick. Du wirst mit meiner Arbeit zufrieden sein, das verspreche ich dir.« Sie nahm die zusammengehefteten Klarsichthüllen mit den Zeitungsartikeln darin entgegen, die er ihr über den Tisch reichte. Zuoberst entdeckte sie einen Zettel mit dem Namen und der Telefonnummer von Marc Reeve.
»Das ist dann das nächste Telefonat«, sagte sie, »Marc Reeve. Ich werde versuchen, einen persönlichen Gesprächstermin mit ihm zu vereinbaren. Ich bin sehr gespannt, ihn kennen zu lernen.«
»Und ich bin gespannt, was du über ihn berichtest«, sagte Nick. Er legte ein paar Geldscheine zu der Rechnung, stand auf, beugte sich über den Tisch und küsste Rosanna rechts und links auf die Wangen. »Bis bald. Wenn du Hilfe und Unterstützung brauchst, ruf mich an!«
Sie sah ihm nach und dachte: Hätte ich nur erst das Gespräch mit Dennis hinter mir!
3
Sally war zu betrunken, um mit den Polizeibeamten zu sprechen, aber Gordon, der grundsätzlich erst nach Einbruch der Dunkelheit trank, war Herr seiner Sinne und entsprechend wütend darüber, dass sich Angela eigenmächtig an die Polizei gewandt hatte. Sie stand mit den beiden Männern in der Wohnungstür ihrer Eltern und hätte sich am liebsten weit weg gewünscht. Sie hatte gedacht, sie könnte das Verschwinden ihrer kleinen Schwester einfach melden und dann wieder nach Hause gehen, aber man hatte darauf beharrt, mit ihren Eltern sprechen zu müssen. Zwei Beamte, die sich als Constables Burns und Carley vorstellten, hatten sie im Wagen nach Hause gefahren und waren mit hinaufgekommen. Angela sah, dass die Miene ihres Vaters nichts Gutes verhieß. Er war wütend, und sie würde nachher den dicksten Ärger bekommen.
»Ihre Tochter Linda wird seit vergangenem Freitag vermisst, ist das richtig?«, fragte Burns, der Ältere der beiden. »Jedenfalls hat das Ihre Tochter Angela bei uns auf der Wache so angegeben.«
»Vermisst. Vermisst, was heißt das schon?«, knurrte Gordon. »Sie ist bei irgendeinem Kerl. Wie immer.«
»Wie immer? Ihre Tochter ist schon öfter so lange fort gewesen?«
»So lange nicht«, musste Gordon widerwillig zugeben.
»Können wir hineinkommen?«, fragte Carley. »Wir müssen das ja nicht im Treppenhaus besprechen.«
Gordon geleitete sie in die Küche, wo Sally am Tisch saß, eine Schnapsflasche vor sich, und an die Wand starrte.
»Oh … B-besuch«, lallte sie.
»Haben Sie eine Vorstellung, bei welchem Kerl sich Ihre Tochter aufhalten könnte?«, fragte Burns.
Gordon machte eine abfällige Handbewegung. »Ich kann die Kerle nicht alle kennen, mit denen meine Tochter was hat«, sagte er, »wäre völlig unmöglich. Is' heute der, morgen ein anderer. So is' sie. Ein Flittchen. Leider.«
»M-meine Tochter ist k-kein …«, hob Sally an, verlor dann aber den Faden und verstummte wieder.
Burns versuchte es trotzdem. »Sie haben auch keine Idee, wo sich Ihre Tochter aufhalten könnte, Mrs. Biggs?«, fragte er.
Sally legte die Stirn in Falten und bekam einen sehr angestrengten Blick, sagte jedoch nichts. Burns seufzte.
»Miss Angela Biggs erwähnte, dass ihre Schwester in jüngster Zeit offensichtlich finanziell aufwändiger lebte als vorher«, sagte er, »was wohl vor allem an ihrer Kleidung abzulesen war. Sie
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