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Die Letzte Spur

Die Letzte Spur

Titel: Die Letzte Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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Nacht hatte sie von Pit geträumt. Das war schon so lange nicht mehr geschehen, dass sie am Morgen völlig verstört und benommen aufwachte und sich für einen Moment in die ersten Monate nach ihrer Flucht zurückversetzt sah, als die Albträume häufiger und regelmäßiger Bestandteil ihres Lebens gewesen waren. Sie hatte es als einen allerersten Sieg über ihre Vergangenheit verbucht, dass sie sich so völlig verzogen hatten. Nun aber …
    Ein Ausrutscher, dachte sie und kletterte aus dem Bett. Wie immer war es in dem kleinen Zimmer sehr kalt, und es zog heftig durch die klapprigen Fenster. Der Blick hinaus offenbarte trübes, regnerisches Wetter. Im gegenüberliegenden Haus hatte jemand seine Bettdecke hinausgehängt, die am Ende mehr feucht als frisch gelüftet sein dürfte.
    Sie hatte die Szene auf dem Parkplatz des Supermarkts geträumt. Teilweise ins Unrealistische verkehrt, wie das in Träumen häufig so ist. Der Supermarkt hatte aus einem riesigen Hochhaus bestanden, einer Art Wolkenkratzer, was in Wahrheit überhaupt nicht stimmte, denn es hatte sich um ein ausgesprochen flaches, langgestrecktes Gebäude gehandelt. Im Traum hatte der Bau seine ganze Umgebung weithin in einen eiskalten, düsteren Schatten getaucht. Man war sich wie eine frierende, kleine Ameise vorgekommen, die ewig nach dem Licht sucht, es aber nie mehr wiederfinden wird.
    Das lag sicher daran, dass es hier im Zimmer so kalt war, dachte sie und zog fröstelnd die Schultern zusammen, denn in Wahrheit … damals …
    Sie meinte, es sei Anfang Oktober gewesen, ein fast noch spätsommerlich warmer Tag. Damals hatte sie Pit geliebt, zumindest hatte sie sich eingebildet, das zu tun. Natürlich hatte sie sich über ihre ständige Nervosität gewundert, darüber, dass sie sich nicht so richtig glücklich fühlte. Wenn sie erst einmal wirklich verliebt wäre, so hatte sie immer geglaubt, dann würde sie vollkommen glücklich, strahlend, schwebend sein. Das Leben genießen und nur noch herrlich finden. Euphorisch sein.
    Das war ganz klar an Pits Seite nicht der Fall. Was sie aber mehr und mehr auf die ständige Anwesenheit Rons schob. Ron war ein mieser Typ, aber Pit vergötterte ihn leider. Dauernd lud er ihn in ihrer beider Wohnung ein. Und sie musste dann kochen, tolle, aufwändige Gerichte, damit Ron bloß zufrieden war.
    An jenem Tag hatte Ron sich Truthahn gewünscht, mit »allem Drum und Dran«, wie er es ausdrückte. Als sie sich auf den Weg zum Supermarkt machte, um dafür einzukaufen, fiel es Pit im letzten Moment ein, sie zu begleiten.
    Heute dachte sie, wie blöd sie eigentlich gewesen sein musste, um nicht gleich zu wissen, dass ihre Beziehung zu Pit von vorne bis hinten nicht in Ordnung war. Sie hatte von einem gemeinsamen Leben mit ihm geträumt, aber wenn er sie nur zum Supermarkt begleiten wollte, erschrak sie schon und fühlte sich den Tränen nahe. Einkaufsfahrten waren für sie jedes Mal wie ein kurzer Ausflug in die Freiheit gewesen. Sie konnte allein durch die Regalreihen schlendern, Preise vergleichen, andere Menschen beobachten. Sie konnte sich wie eine der betulichen Hausfrauen fühlen, die langsam und umsichtig ihre Einkaufswagen füllten, mit Gegenständen, die Rückschlüsse auf ihre Lebensumstände zuließen. Sie liebte es, Vermutungen darüber anzustellen, wie andere Leute wohl lebten. Die Frau, die so viele Milchflaschen und Pakete mit den verschiedensten Müslis einpackte, hatte wahrscheinlich viele Kinder. Eine andere Frau kaufte nach sorgfältigem und – wie es den Anschein hatte – sehr liebevollem Auswählen mehrere Dosen Katzenfutter und ein Päckchen Brekkies. Der junge Mann, der es so eilig zu haben schien, war wahrscheinlich Student; er deckte sich reichlich mit Cola und Kaffee ein und dachte offenbar kaum daran, dass er auch etwas zum Essen brauchte. Vielleicht stand er kurz vor einer Prüfung und musste sich beim nächtelangen Lernen irgendwie wach halten.
    Derartige Gedankenspiele konnte sie nicht treiben, wenn Pit bei ihr war. Sich mit ihm darüber austauschen zu wollen, war ohnehin sinnlos, sie hatte es daher auch nie versucht. Er konnte durchaus liebevoll mit ihr umgehen, wenn er in der richtigen Stimmung dafür war, aber er konnte ihr auch mit großer und verletzender Härte klarmachen, dass er sie für die dümmste Kuh aller Zeiten hielt. Irgendwie hatte sie die Ahnung, dass er ihre Geschichten um fremder Menschen Einkaufswagen unter Schwachsinn verbuchen würde.
    An jenem Tag war ihr Pit von Anfang

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