Die letzte Wahrheit: Roman (German Edition)
sie an. Sie starrte aus dem Fenster. Sie wirkte ein bisschen weniger wütend, dafür aber tief verletzt. Ich betrachtete das Mädchen, das seit fast zehn Jahren meine beste Freundin war, die zu mir gehalten hatte, als sich in der dritten Klasse alle über mich lustig gemacht hatten, wenn meine Mom mal wieder nicht zu einer Schulveranstaltung gekommen war. Sie war für mich da gewesen, als ich mir mitten in den Sommerferien den Knöchel gebrochen hatte, sie hatte mich über schlechte Haarschnitte und hässliche Pullover hinweggetröstet. Meine beste Freundin, die mich nicht ein einziges Mal für irgendetwas verurteilt oder jemals von mir verlangt hatte, anders zu sein, als ich war. Plötzlich konnte ich mich selbst nicht mehr ausstehen. Wie hatte ich sie so schmählich hintergehen können?
» Es tut mir leid, Sylvia. Ehrlich. Es tut mir ganz furchtbar leid. «
Ich rechnete damit, dass sie mir sagte, ich solle mich zum Teufel scheren. Dass sie mir erklärte, sie würde nie wieder ein Wort mit mir wechseln. Aber sie saß einfach nur da und starrte aus dem Fenster. Schließlich schnaubte sie und setzte sich wieder auf ihren Hocker.
» Also gut, spuck’s aus « , sagte sie, ohne mich anzusehen. » Denn es ist das Mindeste, dass du mir jedes noch so winzige, noch so abartige Detail erzählst. Als Erstes: Wer ist sie? «
Vor Erleichterung wäre ich um ein Haar in Tränen ausgebrochen.
» Dylan Crosby « , sagte ich und hoffte inständig, dass sie nicht wieder explodieren würde.
» Im Ernst? « Sylvia schaute mich entgeistert an. » Ich dachte, die geht mit Woodhouse ins Bett! «
Ich schüttelte den Kopf. » Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie nur mit mir geschlafen hat. «
» Mannomann, das ist echt der Hammer. « Sylvia nickte. » Die ist sexy, das muss ich dir lassen. Wenn es schon eine gibt, die du mir vorziehst, bin ich froh, dass sie wenigstens hübsch ist. Aber die Maggies? « Sie steckte sich einen Finger in den Hals und würgte. » Also echt, wenn du so wirst wie diese schwachköpfigen Schlampen, bin ich die längste Zeit deine Freundin gewesen. «
» Keine Sorge « , sagte ich. » Die haben mich schon rausgeworfen. Und Dylan hat mich auch sitzen lassen. «
» Diese Schlampen « , sagte Sylvia empört. » Was ist denn passiert? «
» Das weiß ich auch nicht genau « , sagte ich. » Zadie kann mich nicht ausstehen, und sie hat so total merkwürdige Besitzansprüche an Dylan. «
» Iihhh, Zadie, mir wird schlecht « , sagte Sylvia. » Sag bloß, die ist auch lesbisch. «
» Nein « , sagte ich. » Das macht das Ganze ja noch viel merkwürdiger. «
Sylvia blies die Luft aus den Backen. » Ich sag dir, die ist echt nicht ganz sauber. Von der solltest du dich lieber fernhalten. «
» Dazu ist es leider zu spät « , sagte ich. » Ich hab mir gestern Abend überlegt, dass ich Dylan eine E-Mail schreibe. Ich dachte, du könntest mir vielleicht dabei helfen, sie zu formulieren. «
Okay, Dr. Lipton hatte gesagt, ich sollte die Mail nicht abschicken. Aber den Gefallen konnte ich ihr einfach nicht tun. Schließlich hatte ich mir das, was zwischen Dylan und mir passiert war, nicht eingebildet. Und ich wollte von ihr wissen, wie es möglich war, dass sie mich einfach so fallen gelassen hatte. Außerdem konnte es ja auch sein, dass sie es sich noch einmal anders überlegte.
» Eine Mail? Hältst du das für eine gute Idee? « , fragte Sylvia. » Mir kommt das jedenfalls ziemlich idiotisch vor. Wenn Dylan nicht mit dir redet, dann, weil sie nicht mit dir reden will. Zumindest ist es ihr nicht wichtig genug. Du solltest auf mich hören, denn ich weiß, wovon ich rede. «
Als hätte Sylvia nicht buchstäblich hunderte solcher E-Mails verschickt, nachdem sie fallen gelassen worden war wie eine heiße Kartoffel. Ich schaute sie ziemlich lange an und wartete darauf, dass ihr das wieder einfiel. Schließlich zuckte sie die Achseln.
» Also gut, meinetwegen « , sagte sie und hob die Hände. » Ich komme nach der Schule zu dir, dann setzen wir den Text auf. Aber nur, weil ich schon eine ganze Menge solcher Mails geschrieben hab, heißt das noch lange nicht, dass eine davon was bewirkt hat. Jedenfalls nicht das, was ich mir davon erhofft hatte. «
» Egal « , entgegnete ich lächelnd. » Es gibt für alles ein erstes Mal.
gRaCeFULLY
24. OKTOBER
Weil es auf urbandictionary.com 176 Definitionen für das Wort Versager gibt.
Wer will schon stinknormal sein?
Endlich haben wir den Beweis, dass Dylan Crosby kein
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