Die letzte Wahrheit: Roman (German Edition)
ihr alles erzählte.
» Ich hab was ganz Blödes gemacht « , sagte ich schließlich. » Und wenn ich’s dir sage, bist du bestimmt stinksauer. «
» Es ist mir egal, ob du lesbisch bist, ehrlich « , sagte sie. » Dann machst du mir wenigstens keine Konkurrenz. «
Ich musste lachen. Und wie. Nur Sylvia konnte mich in so einem Moment zum Lachen bringen. Denn nur sie konnte die Tatsache, dass ich lesbisch war, so auslegen, dass sie dann mehr Chancen bei den Jungs hatte. Sie hatte eine Menge Fehler, aber man konnte ihr nicht nachsagen, dass sie andere Leute verurteilte. Es würde alles gut werden. Alles. Ich holte noch einmal tief Luft und stützte mich auf den schmalen Tresen. Mir blieb nichts anderes übrig, als mit dem Schlimmsten anzufangen.
» Ich bin von einem Club ausgekuckt worden. «
» Was? « Sylvia sah mich entgeistert an.
» Ich bin eingeladen worden. «
» Was? «, fragte sie noch einmal, diesmal lauter. Ihre Augen weiteten sich. » Von welchem Club denn? «
» Von den Maggies. «
» Ach du Sch… Und du hast mir nichts davon erzählt? « Es schien sie eher umzuhauen, als wütend zu machen. » Ich wette, es ist noch nie vorgekommen, dass eine die hat abblitzen lassen. Die Maggies, Mannomann, die waren bestimmt sauer. Du musst mir die ganze Geschichte erzählen. «
Ich seufzte und betrachtete meinen halb aufgegessenen Muffin.
» Ich hab sie nicht abblitzen lassen. «
Einen Moment lang war Sylvia wie erstarrt, dann verzog sie angewidert das Gesicht.
» Du bist bei den Maggies? Seit wann? «
Ich zog die Luft durch die Zähne ein.
» Seit diesem Schuljahr « , sagte ich leise.
» Du lügst! « , schrie Sylvia und sprang von ihrem Hocker. » Es kann nicht sein, dass du schon so lange in so einem Club bist und mir kein Wort davon gesagt hast! « Ich spürte, wie der Typ am Verkaufstresen uns beobachtete, als überlegte er, ob er uns rauswerfen sollte. » Und was ist mit unserem Schwur? Hast du das alles schon vergessen? «
Sylvia hatte recht. Ich war ein komplettes Arschloch.
» Ich weiß nicht, wie das passiert ist. « Das klang mehr als lahm, aber es war zur Abwechslung tatsächlich mal die Wahrheit. » Die haben mich ausgekuckt, und ich– du hast immer irgendeinen Freund, und meine Mom ist nie zu Hause und was weiß ich. Manchmal hab ich das Gefühl, als hätte ich niemanden auf der Welt. «
» Also wirklich « , sagte Sylvia kühl. » Mir kommen gleich die Tränen. «
Als ich sie anschaute, hatte sie einen ziemlich verkniffenen Gesichtsausdruck, aber sie hatte wirklich Tränen in den Augen.
» Tut mir leid, Sylvia « , sagte ich. Sie hatte recht, es war total egoistisch, illoyal und gemein, was ich getan hatte. » Ich weiß, dass das nicht reicht, aber was anderes fällt mir nicht ein. «
Sylvia mahlte mit den Zähnen, sie schien von Sekunde zu Sekunde wütender zu werden. Dann schlug sie sich eine Hand vor den Mund.
» Gott, bin ich blöd « , sagte sie mit belegter Stimme. » Ich hab ein schlechtes Gewissen, weil ich so viel mit Ian zusammen bin, und die ganze Zeit triffst du dich mit deinen neuen geheimen Freundinnen. Eins muss ich dir lassen, Baron, du bist eine erstklassige Lügnerin. «
Das stimmte wirklich. Ich hatte sie permanent belogen. Es waren so viele Lügen gewesen, dass mich ihr Gewicht fast erdrückte.
» Es ist einfach irgendwie passiert, und dann wusste ich nicht, wie ich da wieder rauskommen sollte « , sagte ich. Sylvia funkelte mich immer noch wütend an. Aber wenigstens war sie nicht rausgerannt, das war immerhin etwas. » Und dann hab ich mich in ein Mädchen aus dem Club verliebt, und ich hatte Angst, ich könnte sie verlieren, wenn ich mich abseilte. Du weißt doch, wie das ist, wenn man was tut wegen jemand, in den man verliebt ist. Das ist eben nicht immer gut überlegt. «
» Superausrede « , sagte sie. » Du darfst also deine beste Freundin anlügen und dich wie das letzte Arschloch aufführen, nur weil du lesbisch bist? « So ausgedrückt, klang es wirklich total bescheuert. Ich ließ den Kopf hängen und zuckte die Achseln. » Ich baue eine Menge Mist, Amelia. Vielleicht drehe ich mich manchmal nur um mich selbst, und vielleicht bin ich ’ne Schlampe, und vielleicht such ich mir die falschen Jungs aus. Aber ich hab dich noch nie, nie angelogen. «
Das war die Wahrheit. Sylvia war immer ehrlich, selbst dann noch, wenn es für uns beide einfacher wäre, wenn sie lügen würde.
Mir fiel keine Entschuldigung mehr ein. Ich hob den Kopf und schaute
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