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Die letzte Wahrheit: Roman (German Edition)

Die letzte Wahrheit: Roman (German Edition)

Titel: Die letzte Wahrheit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kimberly McCreight
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glauben, wer der glückliche Sieger ist. Aber hier werdet ihr es nicht erfahren. Es gibt Dinge, die nicht mal ich schreibe.
    Während Kate ungläubig den Bildschirm betrachtete, spürte sie wieder das vertraute Brennen in der Kehle. Es schockierte sie nicht, dass ihre Tochter Sex gehabt hatte– na ja, vielleicht ein bisschen–, aber es verletzte sie zutiefst, dass Amelia ihr nichts davon erzählt hatte. Sie hatte sich immer vorgestellt, dass Amelia und sie im Voraus darüber reden würden. Jahrelang hatte Kate sich ein ums andere Mal zurechtgelegt, was sie ihrer Tochter zu den Themen Liebe, Sicherheit und Vertrauen sagen würde. Dass man sich selbst treu bleiben musste, auch wenn man sich einem anderen Menschen hingab. Dass man sich sehr gut überlegen sollte, wann und wie viel man einem anderen geben wollte. Das alles hatte Kate ihrer Tochter mit auf den Weg geben wollen, Dinge, die ihr als junges Mädchen niemand gesagt hatte. Warum also hatte sie es nicht getan? Worauf hatte sie gewartet?
    » Hey. «
    Kate zuckte zusammen und schaute zur Treppe. Seth kam langsam herunter. Er sah aus, als hoffte er, irgendetwas würde ihn daran hindern, die Küche zu betreten.
    » Du hast was gefunden « , sagte Kate.
    Sie sah ihm an, dass er etwas entdeckt hatte. Und was auch immer es sein mochte, es war nichts Gutes.
    Seth nickte und setzte sich Kate gegenüber an den Tisch. Er zog ein zusammengefaltetes Blatt Papier aus seiner Brusttasche. Er legte es auf den Tisch und schob es zu Kate hinüber, ließ es jedoch nicht los.
    » Das habe ich in ihrer Schreibtischschublade gefunden. « Kate versuchte, den Zettel zu nehmen, doch Seth hielt ihn fest. » Willst du dir das wirklich antun? Was ist, wenn du Dinge erfährst, die du lieber nicht gewusst hättest? «
    » Wenn es mit Amelia zu tun hat, muss ich es wissen. Ich muss alles wissen, Seth. «
    Schließlich nickte er und ließ den Zettel los. Kate faltete ihn auseinander.
    ICH HASSE DICH !!!
    Die drei kurzen Worte schrien ihr aus der Mitte der linierten, aus einem Heft gerissenen Seite entgegen. Kate stockte der Atem. Das hatte jemand an Amelia geschrieben? Sogar die Buchstaben selbst wirkten wütend, schief und dick, als hätte sich jemand beim Schreiben mit seinem ganzen Gewicht auf den Stift gelegt.
    Das ergab keinen Sinn. Amelia war nicht der Typ Mädchen gewesen, der verhasst war. Sie war klug und hübsch und sportlich gewesen. Ein Mädchen, auf das die anderen vielleicht neidisch gewesen wären, wenn sie nicht so bescheiden gewesen wäre. Sie war nie darauf erpicht gewesen, überall aufzufallen, so wie Sylvia. Wie war es möglich, dass jemand sie so sehr gehasst hatte?
    » Das verstehe ich nicht « , sagte Kate mehr zu sich selbst als zu Seth. » Wer kann ihr denn so etwas geschrieben haben? «
    Seth kniff die Lippen zusammen und schaute auf den Tisch. Dann schüttelte er den Kopf, griff nach hinten und zog einen Stapel weiterer, ähnlich gefalteter Zettel aus seiner Gesäßtasche. Er streckte die Hand aus und ließ die Zettel auf den Tisch fallen.
    » Auf allen steht dasselbe. « Seine Stimme klang traurig und zugleich zornig. » Auf allen zweiundzwanzig. Ich glaube, sie stammen von verschiedenen Leuten. Es ist nicht immer dieselbe Handschrift. «
    » O Gott « , flüsterte Kate, unfähig, den Blick von den Zetteln abzuwenden.
    » Ja « , sagte Seth. » Sieht schlimm aus. Aber vielleicht ist es ja nicht das, wonach es aussieht. «
    » Irgendeine Clique hat Amelia schikaniert. « Kate schaute ihn an, die Augen so weit aufgerissen, dass sie brannten. » Was soll das denn sonst sein? «
    Seth schüttelte den Kopf und senkte den Blick. » Ich weiß es nicht « , sagte er. » Ich habe nicht den leisesten Schimmer. Ehrlich gesagt, hätte ich große Lust, zu dieser Schule zu fahren und ein paar von diesen frechen Gören eine runterzuhauen. Wie du dich fühlst, kann ich nicht mal ahnen. «
    » Ich auch nicht « , erwiderte Kate und legte sich eine Hand auf die Brust, um zu fühlen, ob ihr Herz noch schlug. » Ich spüre überhaupt nichts. «
    » Sonst hab ich nichts gefunden. Keinen Brief von Amelia, nichts. Nur unter dem Bett einen Karton mit deinen alten Tagebüchern und Fotoalben. «
    » Meine Tagebücher? « Kate hatte von der fünften Klasse an Tagebuch geführt, bis zum Abschluss ihres Jurastudiums, als die Anforderungen der Kindererziehung und des Berufs ihr keine Zeit mehr gelassen hatten, über das Leben nachzudenken oder ihre Gedanken am Ende des Tages niederzuschreiben.

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