das auf die Schnelle beurteilen konnte, hatte der eine mit dem anderen nichts zu tun. Warum hatte Amelia über ein und dasselbe Buch zwei verschiedene Aufsätze geschrieben? Kate betrachtete die Deckblätter und fuhr mit dem Finger über die Titel. Das war der Beweis dafür, dass Amelia nicht geschummelt hatte, da war Kate sich ganz sicher, auch wenn sie nicht erklären konnte, warum.
Kate ließ die Aufsätze auf dem Tisch liegen und ging wieder nach oben ins Wohnzimmer, wo noch jede Menge Papierstapel auf sie warteten. Sie nahm sich den Stapel mit den E-Mails vor, auf dem obenauf ein Zettel klebte: Habe nur die letzten 4 Monate ausgedruckt. Wenn Sie mehr wollen, sagen Sie Bescheid. So viele Mails in vier Monaten.
Die erste Mail war von George McDonnell. Gehst du am WE auf die Party bei Chloe? Hab gehört, jemand bringt E mit. E? E wie Ecstasy? War George McDonnell der geheimnisvolle Junge, den Amelia mit ins Haus gebracht hatte? Kate tat sich immer noch schwer damit, die Sache mit dem Sex zu akzeptieren, und jetzt kamen auch noch Drogen ins Spiel?
Kate riss die Gummibänder von dem Stapel und hoffte inständig, dass Duncan auch Amelias Antworten ausgedruckt hatte. Da entdeckte sie im unteren Viertel des Stapels einen Post-it-Zettel mit der Aufschrift: Verschickte Mails. Kate ging die Seiten durch, bis sie die Antwort ihrer Tochter fand.
E? Bist du plötzlich drogensüchtig oder was?, hatte Amelia geschrieben. Total uncool, bro. Ich kann jedenfalls nicht, hab am Sonntagmorgen Training.
Kate schloss die Augen und drückte die Seite an ihre Brust. Gott sei Dank. Vielleicht gab es doch etwas, das sie richtig eingeschätzt hatte. Sie sah sich Amelias nächste Mail an, die sie an ihre Lacrosse-Trainerin Ms Bing geschrieben hatte: Findet das Trainingslager dieses Jahr wieder in den Osterferien statt?
Vielleicht beinhalteten die Mails ja doch nicht nur Lügen und böse Überraschungen. Doch dann, etwa zwölf Seiten weiter, stieß Kate auf eine Mail, die sie erstarren ließ.
Tut mir leid, Amelia, ich habe mich unangemessen verhalten. Können wir darüber reden? Bitte.
– Phillip
Wer auch immer dieser Phillip war, irgendetwas war zwischen ihm und Amelia vorgefallen. Irgendein Streit. Kate las die E-Mail-Adresse:
[email protected] .
Phillip Woodhouse, der Direktor von Grace Hall? Ungläubig las Kate noch einmal die Mail und dann die Adresse. Wie kam Phillip Woodhouse dazu, Amelia in solch einem Ton zu schreiben? Tut mir leid? Ich habe mich unangemessen verhalten? Wann entschuldigte sich ein Direktor bei einer Schülerin? Und auf welche Weise konnte er sich danebenbenommen haben?
Kate zuckte zusammen, als sie Lew auf der Treppe hörte. Sein Gesicht aschfahl.
» Was ist los? « , fragte Kate. Zuerst die E-Mail von Mr Woodhouse und jetzt das Entsetzen in Lews Blick. Das war zu viel. Das Adrenalin ließ ihre Hände zittern. » Was haben Sie entdeckt? «
Sie wartete darauf, dass Lews Gesichtsausdruck sich entspannte, doch er blieb ein paar Schritte von ihr entfernt stehen und suchte Halt an der Stuhllehne.
» Ich glaube, Sie sollten hochkommen und es sich selbst ansehen « , sagte er schließlich.
» Was– nein. Warum? Oben? « Kate wurde übel, als sie zur Treppe schaute. » Sagen Sie mir einfach, was Sie gefunden haben. Ist es etwas auf ihrer Facebook-Seite? «
Er schüttelte den Kopf. » Wie gesagt, Sie müssen es sich ansehen. «
Kate schwirrte der Kopf, als sie die E-Mails auf ihrem Schoß betrachtete.
» Ich habe noch einen Aufsatz gefunden « , sagte sie, um Zeit zu gewinnen. » Zwei verschiedene Aufsätze über dasselbe Buch. Das war die Hausaufgabe, bei der Amelia angeblich ganze Passagen abgeschrieben hat. «
» Hm « , sagte Lew, klang jedoch nicht besonders interessiert. » Dem sollten wir nachgehen. «
» Außerdem hab ich das hier gefunden. « Kate stand auf und hielt ihm die E-Mail hin.
Er warf einen Blick darauf.
» Wer ist Phillip Woodhouse? « , fragte Lew. » Vielleicht unser geheimnisvoller Freund? «
» Er ist der Direktor der Grace-Hall-Schule. «
Lew runzelte die Stirn, dann las er noch einmal die Mail.
» Wir sollten nicht gleich in Panik geraten « , sagte er. » Wir werden der Sache auf den Grund gehen. Es könnte eine ganz vernünftige Erklärung dafür geben. Hier steht schließlich nichts darüber, worin genau sein unangemessenes Verhalten bestand. «
Kate schaute Lew schweigend an, bis er aufblickte. Er nickte.
» Sie haben recht « , sagte er. » Das verlangt nach