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Die letzte Walstatt - Covenant 03

Die letzte Walstatt - Covenant 03

Titel: Die letzte Walstatt - Covenant 03 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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niederschlagen und sich befreien konnte.
    »Erbarmen«, murmelte sie vor sich hin, »Erbarmen, fürwahr. Übel dran von der Kälte, ein gebrochener Geist. Ich habe diese Art des Wirkens aufgegeben. Woher soll ich nun dafür die Kraft nehmen?« Dann entblößten ihre derben Finger seine linke Hand, und sie keuchte auf. » Melenkurion! Weißgold? Ach, bei der Sieben! Wie ist eine solche Bürde ausgerechnet zu mir gelangt?«
    Die Notwendigkeit, seinen Ring vor ihr zu schützen, näherte ihn weiter der vollen Bewußtseinsklarheit. Er vermochte seine Hand nicht zu bewegen, nicht einmal die Faust um den Ring zu schließen; folglich versuchte er, sie abzulenken.
    »Lena«, röchelte er durch gesprungene Lippen, ohne zu wissen, was er redete. »Lena? Lebst du noch?«
    Mühselig schlug er die Augen auf.

13
     

Die Heilerin
     
     
    Noch machte der Schlaf seine Sicht undeutlich; zunächst sah er nichts als das zusammengedrängte, mißmutige Glimmen der Baumstämme. Aber sie gefährdete seinen Ring. Es galt, sein Weißgold eifersüchtig zu hüten. Schlaf oder kein Schlaf, er beabsichtigte nicht, es abzugeben. Er strengte sich an, um seinem Blick einen Fokus zu verleihen, bemühte sich darum, sein inneres Versteck weit genug zu verlassen, um ihre Aufmerksamkeit zu fesseln.
    Dann strich eine behutsame Bewegung ihrer Hand die Spinnweben von seiner Stirn, und er stellte fest, daß er sie sehen konnte.
    »Lena?« krächzte er nochmals.
    Sie war eine lehmig-dunkle Person mit Haar, das geflochtenem braunen Gras glich, und einem alten Gesicht, das sich durch unregelmäßige, grobe Umrisse auszeichnete, als sei es unfachmännisch aus Ton geformt worden. Die Kapuze eines zerlumpten, braungrünen Umhangs bedeckte ihren Kopf. Und ihre Augen waren so braun wie weicher Schlamm, von einem unerwarteten und suggestiven Braun, als ob die Ablagerungen irgendeiner persönlichen Hingabe ihre Augäpfel füllten, ihre Pupillen verwischten – als wäre der schwarze, runde Nexus zwischen ihrem Verstand und der äußeren Welt etwas, das sie im Austausch für die seltene, fruchtbare Lehmerde der Macht hingegeben habe. Doch ihr Blick enthielt kein Selbstvertrauen, keine Sicherheit, während sie ihn betrachtete; das Leben, das ihre Augen gestaltet hatte, lag längst hinter ihr. Nun war sie alt und ängstlich. Ihre Stimme raschelte wie das Knistern von uraltem Pergament, als sie »Lena?« zurückfragte.
    »Lebst du noch?«
    »Ob ich ...? Nein, ich bin nicht deine Lena. Sie ist tot – falls deine Erscheinung ein gewisses Maß an Wahrheit verrät. Erbarmen.«
    ›Erbarmen‹ , wiederholte er lautlos.
    »Das ist die Wirkung des Amanibhavam . Vielleicht hast du, als du's verzehrtest, dein Leben gerettet – aber sicherlich ist dir geläufig, daß es für dich Gift ist, eine zu starke Speisung für menschliches Fleisch.«
    »Lebst du noch?« fragte er erneut, Verschlagenheit in der Kehle. Er tarnte sich auf diese Weise, verstellte jenen Teil seiner selbst, der das Versteck und den Schlaf verlassen hatte, um den Ring zu schützen. Nur der beeinträchtigte Zustand seiner Gesichtszüge verhinderte, daß er über seine eigene Schlauheit grinste. »Vielleicht nicht«, seufzte sie. »Aber schweigen wir davon. Du weißt ohnehin nicht, wovon du sprichst. Du bist infolge der Kälte übel dran und umnachtet vom Gift ... und ... und irgendein weiteres Übel steckt in dir, das ich nicht begreife.«
    »Wieso bist du nicht tot?«
    Sie beugte ihr Gesicht dicht auf seines herab. »Hör mir zu!« setzte sie ihre Erklärungen fort. »Ich weiß, die Hand der Wirrnis ruht auf dir – dennoch, lausche meinen Worten! Hör zu und vernimm meine Worte! Du bist in die Tiefen des Waldes von Morinmoss geraten. Ich bin ... eine Heilerin, eine Freischülerin, die sich der Tätigkeit des Heilens verschrieben hat. Ich werde dir helfen – weil du in Not bist und weil das Weißgold anzeigt, daß im Lande große Dinge geschehen ... und weil der Wald seine Stimme erhob, um mich zu dir zu rufen, obschon mir auch das wahrhaft unbegreiflich ist.«
    »Ich habe gesehen, wie er dich getötet hat.« Das heisere Gekrächz von Covenants Stimme klang nach Entsetzen und Gram, aber tief in seinem Innern freute er sich diebisch über seine Klugheit.
    Sie hob den Kopf wieder von seinem Gesicht, zeigte ansonsten jedoch keine Reaktion auf das, was er geäußert hatte. »Ich bin«, sagte sie, »aus ... aus meinem Leben an diese Stätte gegangen, weil des Waldes ruheloser Schlummer sich mit meiner überlangen

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