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Die letzte Walstatt - Covenant 03

Die letzte Walstatt - Covenant 03

Titel: Die letzte Walstatt - Covenant 03 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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Sehnsucht nach Abgeschiedenheit traf. Ich bin Heilerin, und Morinmoss duldet mich. Doch nun spricht er zu mir ... Große Dinge, in der Tat. Ach, Erbarmen. In meinem Herzen spüre ich, daß selbst der Koloß ... Doch ich schweife ab. Seit vielen Jahren hause ich hier. Ich bin's gewöhnt, ausschließlich zu meinem eigenen Vergnügen zu sprechen.«
    »Ich hab's gesehen.«
    »Vernimmst du meine Worte nicht?«
    »Er hat dich mit einem hölzernen Stock erstochen. Ich habe das Blut gesehen.«
    »Erbarmen! Ist dein Leben so gewalttätig? Doch schweigen wir auch davon. Du vernimmst meine Worte nicht – zu stark bist du dem Amanibhavam verfallen. Aber Gewalttätigkeit oder nicht, ich muß dir beistehen. Nur gut, daß meine Augen ihre Aufgaben noch nicht vergessen haben. Ich sehe, daß du zu schwach bist, um mir ein Leid anzutun, was immer auch deine Absichten sein mögen.«
    ›Zu schwach‹ , wiederholte er insgeheim. Was sie sagte, stimmte; er war zu schlaff, um zum Schutze seines Eherings bloß die Hand zur Faust zu ballen. »Bist du zurückgekommen«, keuchte er, »um mich zu verfolgen? Mich anzuklagen?«
    »Sprich, wenn du mußt!« sagte sie mit rauher Stimme. »Doch ich kann dir nicht lauschen. Ich muß ans Werk gehen.« Mit gedämpftem Ächzen richtete sie sich auf und entfernte sich mit steifgliedrigen Bewegungen.
    »Das ist es«, schwafelte er weiter, angetrieben von seinem grotesken inneren Frohsinn. »Das ist es, nicht wahr? Du bist zurückgekommen, um mich zu quälen. Es genügt dir nicht, daß ich ihn getötet habe. Ich habe ihm das Messer ins Herz gerammt, aber das genügt dir nicht. Du willst mir noch mehr Schmerz zufügen. Du möchtest, daß ich beim Gedanken an all die Dinge, an denen ich schuld bin, verrückt werde. Ich habe Lord Foul die Dreckarbeit abgenommen, und jetzt kommst du, um mich zu quälen. Du und dein Blut! Wo warst du, als es noch einen Unterschied ausgemacht hätte, was mit mir passiert? Warum hast du nicht gleich nach der Vergewaltigung versucht, sie mir heimzuzahlen? Warum hast du bis jetzt gewartet? Hättest du mir schon damals heimgezahlt, was ich angestellt habe, vielleicht wäre ich früher darauf gekommen, was hier eigentlich los ist. All dieser Großmut ...! Das war grausam. O Lena! Mir war überhaupt nicht klar, was ich da machte, ich hab's selber erst kapiert, als es zu spät war, zu spät, ich konnte gar nichts dagegen tun. Worauf wartest du noch? Martere mich! Ich benötige Schmerz.«
    »Du benötigst Nahrung«, murmelte die Heilerin in einem Tonfall, als verursache er ihr Widerwillen. Mit einer Hand packte sie mit bemerkenswert unwiderstehlichem Griff sein Kinn und schob ihm mit der anderen zwei, drei Schatzbeeren in den Mund. »Schluck auch die Kerne! Sie werden dich zusätzlich stärken.«
    Er wollte die Aliantha ausspucken, aber ihr fester Zugriff zwang ihn trotz seiner gegenteiligen Absicht zum Kauen. Ihre andere Hand strich an seiner Kehle entlang, bis er schluckte. Dann fütterte sie ihn mit weiteren Beeren. Bald hatte sie ihn dazu gebracht, mehrere Mundvoll zu essen. Er spürte, wie Nährkraft ihm zufloß, aber aus irgendeinem Grund schien sie eher seinem so tiefen Schlummer zuträglich zu sein, nicht seiner Gerissenheit. Kurze Zeit später konnte er sich nicht länger auf das besinnen, was er vorhin geredet hatte. Der Schimmer der Bäume erfüllte ihn mit widerwilliger Schlaftrunkenheit. Als die Heilerin ihn aus dem Gras hob, war er weder dazu imstande, sich zu wehren, noch sich zu fügen.
    Während sie vor Anstrengung schnaufte, zerrte sie seine schlaffe Gestalt in die Höhe, bis er in halb aufrechter Haltung in ihren Armen hing. Dann lehnte sie ihn gegen ihren Rücken, seine Arme über ihre Schultern geworfen, und packte seine Oberarme wie die Griffe eines Gepäckstücks. Seine Füße schleiften nach; er baumelte von ihren knochigen Schultern. Aber sie trug sein Gewicht, schleppte ihn wie einen leblosen Sack tiefer in die fahle weiße Nacht von Morinmoss.
    Während er döste, beförderte sie ihn mühselig immer weiter in die geheimnisvollen Tiefen des Waldes. Und als sie das Gebiet des Waldrandes verließen, gelangten sie in wärmere Luft, angenehmere Verhältnisse – einen Waldlandstrich, in dem Lord Fouls Winter den Frühling nicht im Keim zu ersticken vermocht hatte. Man sah in immer ausgedehnteren Bereichen immer mehr Blattwerk und sogar Vogelnester im Geäst; immer mehr Moos, Gras und kleines Waldgetier ließen sich zwischen den Bäumen bemerken. Der Geist des

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