Die letzte Walstatt - Covenant 03
zurückzukehren. Als er die Augen wieder der Helligkeit öffnete, die sein Blickfeld ins Flimmern brachte, sank er fast auf die Knie. Plötzlich suchte ihn Ermattung heim; ihm war irgendwie ausgezehrt zumute, als habe sich seine Seele über eine zu große Entfernung hinweggereckt. Für ein Weilchen stand er bloß kraftlos da, vergaß sogar das Singen. Doch die anderen Lords hatten das Lied aufgegriffen, und statt seiner Kräfte vollendeten ihre Stäbe die Herrufung.
Als seine Augen wieder uneingeschränkt sehen konnten, erblickte er Thomas Covenant, Zweifler und Weißgoldträger, sah ihn halbstofflich vor sich im Licht stehen. Aber seine Erscheinung kam nicht näher, der Körper verfestigte sich nicht. Covenant blieb am Rande der körperlichen Gegenwart; er verweigerte den Übergang. »Nicht jetzt!« schrie er mit so schwacher Stimme, daß man an ihr Ertönen kaum glauben mochte. »Laßt mich!«
Der Anblick von des Zweiflers Leid erschreckte Mhoram. Covenant litt Hunger, er bedurfte verzweifelt dringlich ausgiebiger Erholung, und seine Stirn wies eine tiefe, ernstzunehmende, nichtsdestoweniger jedoch unbehandelte Wunde auf. Sein ganzer Leib war entstellt und mißhandelt, als sei er gesteinigt worden, und sein Mund war an einer Seite häßlich von Blut verkrustet. Doch wie übel auch seine körperlichen Verletzungen waren, sie verblaßten vor seiner seelischen Not. Er verströmte Entsetzen und Ablehnung wie einen Schweiß der Qual, und das Glosen feuriger Willenskraft verhinderte seine Verstofflichung. Wie er sich derartig der Vervollständigung seiner Herbeirufung widersetzte, erinnerte er Mhoram ungemein stark an Dukkha , den armen Wegwahrer, den Lord Foul mit dem Weltübel-Stein so vielen Martern unterworfen hatte. Er widerstrebte, als nötigten die Lords ihn in einen Tümpel des Grauens, voller Säuren und Gifte.
»Covenant!« stöhnte Mhoram auf. »Ach, Covenant!« Er befürchtete, in seiner Mattigkeit nicht verhindern zu können, daß er in Tränen ausbrach. »Du bist in der Hölle. Deine Welt ist eine Hölle. Laß dich befreien!«
Covenant zuckte zusammen. Die Stimme des Hoch-Lords schien ihn körperlich heimzusuchen. Doch im nächsten Augenblick wiederholte er seine Forderung. »Schickt mich zurück! Sie braucht mich!«
»Auch wir brauchen dich«, sagte Mhoram matt. Er fühlte sich schwächlich, ohne Kraft in den Gliedern, als fehle es ihm an Muskeln und Bändern, um sich aufrecht zu halten. Nun begriff er, warum es ihm möglich gewesen war, den Zweifler ohne den Stab des Gesetzes herüberzurufen, aber diese Einsicht bekam ihm, als sei eine Wunde des Kummers in die Flanke seines Wesens geschlagen worden. Ihm war, als zerflösse er.
»Sie braucht mich!« wiederholte Covenant. Die Anstrengung des Sprechens ließ neues Blut aus seinem Mund sickern. »Mhoram, kannst du mich nicht hören?«
Diese Frage rührte an etwas in Mhoram. Er war der Hoch-Lord, er konnte, er durfte sich dessen, was man von ihm forderte, nicht als unfähig zeigen. Er zwang sich dazu, den fiebrigen Blick des Zweiflers zu erwidern. »Ich höre dich, Zweifler«, gab er zur Antwort. Während er sprach, gewann seine Stimme wieder an Stärke. »Ich bin Mhoram, Variols Sohn, Hoch-Lord durch Beschluß des Großrates der Lords. Auch wir brauchen dich. Ich habe dich zu uns gerufen, damit du uns beistehst, der letzten und größten Not des Landes entgegenzutreten. Die Prophezeiung, die einst Lord Foul uns zu bringen dir auftrug, steht vor ihrer Bewahrheitung. Wenn wir unterliegen, wird er in seiner Hand die Macht über Leben und Tod halten, und die Welten werden für alle Zeit eine Hölle sein. Ur-Lord Covenant, hilf uns! Ich bin's, Mhoram, Variols Sohn, der dich darum anfleht.«
Seine Worte versetzten Covenants Erscheinung in Unruhe. Er taumelte beim Klang von Mhorams Stimme, duckte und wand sich. Aber sein erbitterter Widerwille erlahmte nicht. »Ich sage dir doch«, schrie er, sobald er wieder mehr Fassung besaß, »sie braucht mich! Die Klapperschlange wird sie beißen! Wenn ihr mich jetzt zu euch holt, kann ich ihr nicht helfen.«
Beiläufig wunderte sich Mhoram darüber, daß Covenant seiner Herrufung so entschlossenen Widerstand entgegenzusetzen vermochte, ohne die Macht seines Rings aufzubieten. Doch diese Fähigkeit zur Verweigerung stimmte mit Mhorams geheimem Wissen überein. Hoffnung und Furcht rangen im Hoch-Lord miteinander, und es kostete ihn Mühe, seiner Stimme einen gleichmäßigen Klang zu verleihen. »Covenant, mein Freund
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