Die letzte Walstatt - Covenant 03
wohl.« Triock hüllte sich fester in seinen Mantel, dann nahm er den Topf mit Glutgestein und hielt ihn über den Kopf, so daß er voraus in den Hohlweg leuchtete. »Dann laßt uns ziehen.«
Quirrel eilte den anderen zügig in die Finsternis des Hohlwegs voran, und Triock schloß sich ihr an, gefolgt von Slen. Auf einen Wink des Riesen hin folgte Covenant Slen. Hinter ihm kam Schaumfolger mit dem zweiten Gefäß voll Glutsteine, und Jeurquin machte für die Gruppe die Nachhut.
Noch bevor er sich zwanzig Meter weit den Hohlweg hinabgeschleppt hatte, sah Covenant ein, daß er unverändert zu schwach war zum Marschieren. Mattigkeit hemmte seine Muskeln, und die geringe Kraft, die er inzwischen wieder besaß, brauchte er, um gegen die Kälte durchzuhalten. Zunächst hegte er die feste Entschlossenheit, trotz seiner Schwäche weiterzugehen. Aber zu dem Zeitpunkt, als er sich die halbe Strecke des Felsspalts hinaufgekämpft hatte, der auf den Berghang oberhalb des Steinhausens Mithil mündete, war ihm endgültig klar, daß er den Weg nicht ohne Unterstützung fortsetzen konnte. Wenn er die Absicht verwirklichen wollte, die im Hintergrund seines Bewußtseins verwaschen Gestalt gewann, mußte er lernen, Hilfe anzunehmen. Er lehnte sich gegen den Fels, atmete schwer. »Schaumfolger!«
Der Riese beugte sich zu ihm herab. »Ja, mein Freund?«
»Schaumfolger ... ich schaff's nicht allein.«
»Ich auch nicht«, erwiderte Schaumfolger und lachte leise.
»Mein Freund, es gibt Trost ... in mancher Gefährtenschaft.« Ohne Mühe hob er Covenant auf seine Arme, trug ihn so, daß er halb saß und nach vorn schauen konnte. Obwohl er nur einen Arm brauchte, um Covenants Gewicht zu tragen, gab er den Topf voller Glutsteine in Covenants Hände. Die behagliche Helligkeit der Kiesel enthüllte, daß Schaumfolger breit lächelte. »Dergleichen ist für mich gefährlich«, sagte er. »Es ist möglich, daß Nützlichsein zu einer gefahrvollen Gewohnheit mißrät.«
»Das könnte von mir sein«, murmelte Covenant in barschem Ton. Schaumfolgers Lächeln verbreiterte sich zu einem Grinsen. Aber Triock warf ihnen mit düsterer Miene einen Blick der Warnung zu, und der Riese enthielt sich jedes weiteren Kommentars.
Einige Augenblicke später bedeckte Triock sein Glutgestein. Auf ein Nicken Schaumfolgers tat Covenant das gleiche. Der Riese brachte das steinerne Gefäß in seinem Sack unter. Ohne verräterisches Licht erklomm die Gruppe den weithin einsehbaren Berghang hoch überm Mithil-Tal. Unterm schweren Dunkel der Nacht konnte man nichts sehen – außer fernen Feuern, die glommen wie Funken in kaltem schwarzem Schwamm. Covenant vermochte nicht abzuschätzen, in welcher Entfernung die Feuer brannten. »Es ist eine große Horde«, sagte jedoch Schaumfolger mit gepreßter Stimme. »Sie wird das Steinhausen in der Morgendämmerung erreichen, wie Slen angekündigt hat.«
»Dann müssen wir uns sputen«, meinte Triock schroff. Er wandte sich nach links und stapfte mit achtloser Schnelligkeit den Kamm des Höhenzugs entlang. Der Riese eilte ihm sofort hinterdrein, und dank seiner langen Schritte blieb er hinter Triocks Geschwindigkeit nicht zurück. Bald verließen sie den Felskamm und überquerten mehr oder weniger steile Hänge, über welche sie talwärts gelangten. Covenant bemerkte, daß er allmählich dichtere Luft atmete. Mit der Wärme des Glutgestein-Topfes an seiner Brust fühlte er sich mit der Zeit etwas kräftiger. Er versuchte, sich darauf zu besinnen, wie dieser Pfad im Frühling auszusehen pflegte, aber jegliche diesbezügliche Erinnerung blieb aus, er konnte den Eindruck trostloser Kahlheit, der ihn aus der Nacht anödete, nicht überwinden. Er spürte, daß er, könnte er jetzt die schonungslosen Felsen des Berges sehen, die aufgenötigte Leblosigkeit des Vorgebirges, die geborstenen Baumstämme oder den Mithil voller Eis, entsetzt wäre. Doch er war noch nicht wieder reif für neues Entsetzen.
Vorn begann Triock zu laufen. Das Rucken und Schaukeln von Schaumfolgers Laufschritt schüttelte Covenant andere Gedanken aus dem Kopf, und er fing an, sich ernsthaft auf die stockfinstere Nacht zu konzentrieren. Er merkte, indem er grotesk die Lider verkniff, daß er sein Sehvermögen der Dunkelheit ein wenig anpassen konnte; anscheinend besannen sich seine Augen auf die ihnen im Land eigene Klarsichtigkeit. Während Schaumfolger mit ihm den Pfad hinabhastete, konnte er links die hohen, düsteren Umrisse der Berge emporragen sehen,
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