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Die letzte Zeugin

Die letzte Zeugin

Titel: Die letzte Zeugin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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Sie legte die Hand leicht auf den Lauf ihrer Pistole und trat zum Küchenmonitor, um zu beobachten, wie der Assistent versuchte, seinen Chef zu beruhigen.
    Sie wollte nicht die Polizei rufen. Das gäbe nur noch mehr Ärger, noch mehr Störungen, noch mehr hässliche Szenen.
    Das Ganze hatte sie erschüttert. Sie schämte sich nicht, das zuzugeben. Aber sie hatte den Einschüchterungsversuchen und Drohungen die Stirn geboten. Sie hatte keine Panik empfunden, hatte nicht das Bedürfnis verspürt wegzulaufen.
    Sie glaubte nicht an Schicksal, nicht an Vorherbestimmung, aber wenn es doch so etwas gab, dann hatte sie diese zwei Erfahrungen durchmachen müssen, diese Erinnerung an Ilya und jetzt an seinen Vater, um sich selbst zu beweisen, dass sie standhalten konnte.
    Sie würde nicht wieder weglaufen. Wenn sie an Schicksal glauben würde.
    »Wir geben ihm zwei Minuten, von jetzt an, um zu verschwinden«, sagte sie zu Bert. »Wenn er bis dahin nicht weg ist, gehen wir wieder vor die Tür.«
    Dieses Mal, beschloss sie, würde sie jedoch ihre Waffe in der Hand halten.
    Sie stellte den Timer an ihrer Armbanduhr ein und beobachtete die beiden Männer auf dem Monitor.
    Sein Blutdruck muss gefährlich hoch sein, dachte sie. Sein Gesicht wurde dunkelrot, und seine Augen traten hervor. Sie konnte sehen, wie schnell sich sein Brustkorb hob und senkte, als er seinen Assistenten anbrüllte.
    Hoffentlich musste sie nicht außer der Polizei auch noch den Notarzt rufen.
    Sie wollte doch nur endlich mit ihrem Auftrag fertig werden und ein bisschen im Garten arbeiten. Mit den Problemen dieses Mannes hatte sie nichts zu tun.
    Nach einer Minute und zweiundvierzig Sekunden stürmte Blake schließlich zurück zu seinem Auto. Abigail stieß einen Seufzer der Erleichterung aus, als der Assistent den Wagen wendete und davonfuhr.
    All diese Jahre, dachte sie. War es Ironie des Schicksals, dass sie wieder Zeugin eines Verbrechens war und erneut Drohungen und Einschüchterungsversuchen ausgesetzt wurde?
    Nein, sie glaubte ja nicht an Schicksal, und doch … es fühlte sich so an, als habe das Schicksal beschlossen, ihr Leben auf den Kopf zu stellen und sie wieder dorthin zu bringen, wo alles begonnen hatte.
    Sie musste einmal darüber nachdenken.
    Seufzend blickte sie auf ihre Arbeit.
    »Ich glaube, wir machen einen Spaziergang«, sagte sie zu Bert. »Ich bin zu aufgebracht, um jetzt zu arbeiten.«
    In der frischen Luft wurde sie wieder ruhiger. Die Bäume rauschten, überall blühten Wildblumen, und sie überlegte, wie sie den Sitzplatz an ihrer Lieblingsstelle mit Blick auf die Hügel gestalten sollte. Sie würde sich bald schon auf die Suche nach einer geeigneten Bank begeben.
    Sie fühlte sich … glücklich, stellte sie fest, als sie eine SMS von Brooks bekam.
    Soll ich was vom Chinesen mitbringen? Du brauchst nichts zu kochen. Du bist wahrscheinlich müde.
    Sie überlegte kurz und schrieb zurück.
    Ich bin nicht müde, aber ich mag chinesisches Essen. Danke.
    Kurz darauf bekam sie wieder eine SMS .
    Bitte.
    Sie musste lachen, und ihre Laune hob sich. Da sie schon einmal draußen war, trainierte sie eine Stunde lang mit Bert, und danach ging sie nach Hause und setzte sich mit klarem Kopf an ihren Schreibtisch.
    Sie achtete nicht auf die Uhrzeit, was bei ihr selten vorkam. Als ihr Alarm erneut piepste, wollte sie schon verärgert auffahren. Wenn dieser unangenehme Mann zurückgekommen war, dann würde sie nicht wieder so höflich sein, nahm sie sich vor. Aber dann sah sie Brooks’ Streifenwagen. Sie blickte auf die Uhr und stellte fest, dass es schon nach sechs war.
    Heute also keine Gartenarbeit, dachte sie und schob die Schuld im Geiste Lincoln Blake und seinem Assistenten mit der steinernen Miene in die Schuhe.
    Aber als sie den Computer herunterfuhr und zur Tür ging, um sie aufzumachen, freute sie sich schon auf die Aussicht, mit Brooks zu Abend zu essen. Ihr Begrüßungslächeln verwandelte sich in Besorgnis, als sie sein Gesicht sah.
    »Du hast nicht geschlafen.«
    »Es war viel los.«
    »Du siehst sehr müde aus. Warte, ich nehme dir das ab. Du hast aber viel zu essen mitgebracht für zwei Personen.«
    »Du weißt doch, was man über chinesisches Essen sagt.«
    »Das stimmt eigentlich nicht. Wenn du richtig isst, bist du nicht eine Stunde später schon wieder hungrig. Ah, du hast auch Pijin mitgebracht.«
    »Was?«
    »Chinesisches Bier«, sagte sie und ging voraus ins Haus. »In chinesischen Dörfern wurde schon 7000 Jahre vor unserer

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