Die letzte Zeugin
dachte an einen hübschen Pullover, der voller Blut war. »Das kann ich gut verstehen. Du bist auch müde.« Sie strich ihm übers Gesicht. »Ich hoffe, du kannst ein bisschen schlafen.«
»Ich hätte nichts dagegen. Fahr vorsichtig, Abigail.« Er küsste sie auf die Stirn und auf die Lippen, bevor er an ihr Auto trat, um ihr die Fahrertür aufzumachen. »Du hattest recht mit dem, was du drinnen gesagt hast. Es war nur eine Frage der Zeit, bevor er jemandem mit einem Messer, einer Pistole oder einem Schlagstock ernsthaft etwas zugefügt hätte.«
»Ich weiß.«
»Du brauchst dir seinetwegen keine Sorgen mehr zu machen.«
»Dann werde ich das auch nicht tun.« Sie schlang die Arme um ihn und drückte ihn fest an sich. »Ich bin sehr froh, dass du so gute Reflexe hast.«
Dann setzte sie sich in ihr Auto und fuhr davon.
20
Kurz nach drei am Nachmittag beobachtete Abigail auf ihrem Monitor, wie eine dunkle Mercedes-Limousine auf ihr Haus zufuhr. Ein Prickeln lief ihr über den Rücken. Sie kannte weder das Auto noch den Fahrer – Ende dreißig, Anfang vierzig, breite Schultern, kurze dunkle Haare – oder den Beifahrer – in den Fünfzigern, dunkelgraue Haare, breites Gesicht.
Sie überprüfte das Nummernschild in ihrem System. Schließlich war sie auf alles vorbereitet. Ihre rasche Suche ergab, dass der Wagen Lincoln Blake gehörte. Erleichtert ließ sie die Schultern sinken.
Eine ärgerliche Unterbrechung, aber keine Bedrohung.
Blake sah wohlhabend aus, stellte sie fest, als er aus dem Wagen stieg. Wahrscheinlich hatte er den perfekt geschnittenen Anzug und die eleganten Stadtschuhe absichtlich angezogen, dachte sie. Der andere Mann trug ebenfalls einen Anzug und hatte eine Aktentasche dabei.
An seiner linken Hüfte glaubte sie eine leichte Ausbuchtung zu erkennen, die die Linie seines Jacketts störte. Er trug eine Waffe.
Na ja, sie auch.
Kurz überlegte sie, ob sie das Klopfen an der Tür ignorieren sollte. Sie war schließlich nicht verpflichtet aufzumachen und mit dem Vater des Jungen zu sprechen, der versucht hatte, Brooks zu töten. Aber sie war sich darüber im Klaren, dass ein Mann wie Blake, nach allem, was sie von ihm gehört hatte, nicht einfach wieder gehen würde. Außerdem war sie ein bisschen neugierig.
Mit Bert an der Seite öffnete sie die Haustür.
»Miss Lowery.« Blake lächelte breit und streckte seine Hand aus. »Verzeihen Sie unser Eindringen. Ich bin Lincoln Blake, einer Ihrer Nachbarn.«
»Ihr Haus liegt einige Kilometer entfernt, auf der anderen Seite von Bickford. Sie wohnen wohl kaum so nahe an meinem Anwesen, dass ich Sie als Nachbarn ansehen könnte.«
»Hier sind wir alle Nachbarn«, erwiderte Blake jovial. »Dies ist mein persönlicher Assistent Mark. Ich möchte mich entschuldigen, weil mein Sohn letzte Nacht unbeabsichtigt auf Ihr Grundstück eingedrungen ist. Dürfen wir hereinkommen und die Situation besprechen?«
»Nein.«
Es war ihr ein Rätsel, warum die Leute sie immer so überrascht, ja sogar verärgert ansahen, wenn sie eine Frage stellten, die sie mit Nein beantwortete.
»Nun, Miss Lowery, ich kam hierher, um Sie um Verzeihung zu bitten, da ich gehört habe, dass mein Sohn Ihnen Unannehmlichkeiten bereitet hat, und um dies mit Ihnen zu besprechen. Es wäre sehr hilfreich, wenn wir das Gespräch in einer etwas bequemeren Umgebung führen könnten.«
»Ich habe es bequem. Danke für Ihre Entschuldigung, Mr Blake, obwohl sie unnötig ist, da Ihr Sohn ohne Erlaubnis mitten in der Nacht auf mein Grundstück vorgedrungen ist und versucht hat, Chief Gleason zu erstechen. Ich glaube, die Polizei kümmert sich schon um den Fall, und für uns gibt es zum jetzigen Zeitpunkt wirklich nichts zu besprechen.«
»Nun, genau deshalb bin ich ja vorbeigekommen. Ich führe wirklich nicht gerne Gespräche auf der Türschwelle.«
»Und ich habe wirklich nicht gerne Fremde in meinem Haus. Ich möchte, dass Sie jetzt mein Grundstück verlassen. Sie können sich mit der Polizei unterhalten.«
»Ich bin noch nicht fertig.« Er hob den Finger. »Ich habe gehört, Sie seien mit Brooks Gleason befreundet und dass …«
»Ja, wir sind befreundet. Wenn wir nicht befreundet wären, wäre er nicht um zwei Uhr morgens hier gewesen, als Ihr Sohn und der Freund Ihres Sohnes illegal auf mein Grundstück eingedrungen sind, mit der Absicht, Chief Gleasons Streifenwagen zu beschmieren. Meine Beziehung zu Chief Gleason verändert jedoch die Fakten nicht.«
»Eine Tatsache ist, dass Sie
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