Die letzte Zeugin
zu.«
Sie hasste diesen neuen Stress, diese zusätzliche Komplikation, die nichts, aber auch gar nichts mit den Volkovs zu tun hatte.
»Wenn ich im Haus geblieben und gar nicht erst an die Tür gegangen wäre, oder wenn ich ihm einfach nur den Weg erklärt hätte …«
»Das hätte wahrscheinlich auch nichts geändert. Er macht seinen Job. Was wir tun werden – beziehungsweise du, weil du besser und schneller bist –, ist, alles über ihn herauszufinden. Wir müssen wissen, mit was für einem Mann wir es hier zu tun haben. In der Zwischenzeit … ich glaube, ich möchte mir ein paar von deinen Kameras ausleihen.«
»Warum?«
»Vorsichtsmaßnahme. Ist es okay, wenn die Polizei von Bickford sich für ein oder zwei Tage etwas von deiner Ausrüstung borgt?«
»Ja.« Sie zog einen Schlüsselbund aus der Tasche. »Du kannst dir ausleihen, was du haben willst.«
»Danke. Ich schicke Ash oder Boyd, um die Kameras abzuholen, wenn es okay ist. Und ich muss ein paar Telefonate führen, um die Vorsichtsmaßnahmen in Gang zu setzen.«
»In Ordnung. Ich muss mich ums Essen kümmern.« Hoffentlich würde sie dadurch ruhiger werden. »Das Gemüse soll nicht zu weich werden.«
Sie musste etwas tun, ihre Hände beschäftigen, damit keine Panik in ihr aufstieg. Wenn sie ganz normale Dinge tat – frischen Thymian und Butter an die Bohnen gab, die Weinsauce über das Hühnchen goss und es mit den Bratkartoffeln anrichtete –, dann konnte sie sich an die Illusion der Normalität klammern.
Sie hatte das Essen sehr gut zubereitet und angerichtet, aber sie bekam kaum einen Bissen herunter.
Sie hatte einen Krisenplan. Das hatte sie immer. Alle Dokumente, die sie für die nächste Identität brauchte, befanden sich in ihrem Safe-Room und konnten sofort in Gebrauch genommen werden.
Aber sie wollte sie nicht benutzen. Sie wollte nicht schon wieder jemand anderer werden. Also musste sie darum kämpfen, die Person zu schützen, die sie jetzt war.
»Auch wenn dieser Detektiv sehr geschickt und entschlossen ist, braucht er trotzdem Zeit, um meine Dokumente und meine Geschichte in Frage zu stellen«, sagte sie. »Ich brauche mehr Zeit, um einen Kontakt mit Special Agent Garrison zu planen und zu organisieren.«
»Ist sie in Chicago?«
»Ich wollte jemanden in Chicago, weil die Volkovs von dort aus operieren. Dort hat sie einfach einen schnelleren Zugriff und konnte besser reagieren, als sie erst einmal gelernt hatte, meiner Information zu vertrauen.«
»Gut gedacht.«
»Aber wenn ich in direkten Kontakt mit ihr trete, ist sie an ihre Pflicht gebunden, mich festzunehmen, wenn ich keine Alternative finde. Und wenn das passiert, werde ich wohl kaum Zeit oder Gelegenheit haben, den Verdacht von mir zu weisen. Sie werden mich sofort eliminieren.«
Er ergriff ihre Hände. »Du wirst nicht verhaftet, und ganz sicher wirst du nicht eliminiert. Sieh mich an. Ich habe auch schon über Alternativen und Methoden nachgedacht.«
»Ich habe schon überlegt, ob ich Special Agent Garrison eine E-Mail auf ihren privaten Account schicken soll, um ihr zu sagen, wer ich bin, und ihr die ganze Geschichte zu erzählen. Ich könnte die Mail so schicken, wie ich die Informationen immer schicke, so dass man sie nicht zurückverfolgen kann. Aber die Information könnte durchsickern, und wenn sie in falsche Hände gerät, würden die Volkovs nicht nur wissen, dass ich noch lebe …«
»Ilya Volkov hat dich doch gesehen. Sie wissen doch, dass du noch am Leben bist.«
»Sie wissen, dass ich vor fünf Jahren in New York noch am Leben war. In der Zwischenzeit hätte ich ja einen Unfall haben oder eine tödliche Krankheit bekommen können.«
»Okay, das ist zwar unwahrscheinlich, aber es könnte sein.«
»Sie wüssten dann auch, dass ich in ihre Accounts und ihre Rechner hineingegangen bin und die Informationen ans FBI weitergegeben habe. Sie würden natürlich Maßnahmen ergreifen, um mich daran zu hindern, und das würde mich Zeit und Mühe kosten. Und sie würden viel vorsichtiger mit dem sein, was sie in E-Mails und SMS schreiben würden. Aber vor allem würde es sie sehr wütend machen, und sie würden ihre Anstrengungen verdoppeln, mich aufzuspüren und zu eliminieren. Sie haben sehr gute Techniker. Ein Großteil ihres Einkommens generiert sich ja aus Computerbetrug und Identitätsdiebstahl.«
»Du bist besser als ihre Techniker.«
»Ja, das bin ich, aber auch ich habe lange gebraucht, um die Firewalls zu durchbrechen. Und wenn sie neue, stärkere
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