Die letzte Zeugin
nicht?«
»Verarbeitete Fleischware, Natrium, tierisches Fett. Er steht nicht auf meiner Liste der erlaubten Lebensmittel. Meine Mutter und meine Ernährungsberaterin haben einen sehr spezifischen Ernährungsplan für mich ausgearbeitet.«
»Ach ja? Nun, es wäre eine Schande, wenn ich das Essen in den Abfall kippen müsste.«
»Ja, das stimmt.« Der Duft zog sie magisch an. »Und außerdem haben Sie sich extra die Mühe gemacht, für mich zu kochen.« Sie setzte sich, spießte eine Scheibe Speck auf die Gabel und aß einen Bissen. Genießerisch schloss sie die Augen. »Es ist gut.«
»Mit Schinkenspeck schmeckt alles besser.« Er stellte ein großes Glas Saft neben ihren Teller und legte drei Aspirin dazu. »Nimm die Tabletten und trink den Saft. Ich sehe dir an, dass du einen Kater hast.«
Ihr Lächeln erlosch. »Wir hätten nicht trinken sollen.«
»Nein, das stimmt, aber tust du immer, was du tun sollst?«
»Ja. Bis gestern jedenfalls. Und wenn ich gestern getan hätte, was ich hätte tun sollen, würde Julie noch leben.«
»Liz, Julie ist tot, weil Yakov Korotkii ein Mörder ist und weil die Volkovs sehr, sehr böse sind. Du und Julie, ihr habt etwas Dummes gemacht, aber sie hat es nicht verdient, dafür zu sterben. Und du bist nicht dafür verantwortlich. Nimm die Kopfschmerztabletten und trink den Saft! Und iss!«
Sie gehorchte, allerdings mehr aus Gewohnheit als aus Verlangen. Aber das Essen war so gut, so tröstlich.
»Sagen Sie mir, was jetzt passiert? Ich weiß ja nicht, was als Nächstes ansteht, und es ist leichter, wenn ich weiß, was von mir erwartet wird.«
Er trat mit dem Kaffeebecher in der Hand an den Tisch und setzte sich. »Vieles von dem, was als Nächstes passiert, hängt von dir ab.«
»Weil meine Zeugenaussage, was ich gesehen und gehört habe, nötig ist, um Yakov Korotkii wegen Mordes vor Gericht zu stellen und den anderen Mann als seinen Komplizen. Und Ilya hat hinterher auch noch eine Rolle gespielt. Möglicherweise könnte auch Sergei Volkov etwas damit zu tun haben, aber das ist ja nur Hörensagen, da bin ich mir nicht sicher. Er wäre das begehrteste Ziel, da er ja anscheinend der Kopf oder einer der Köpfe der Organisation ist.«
John lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. »So wie es aussieht, hast du die Situation voll erfasst.«
»Ich habe Vorlesungen zum Thema Strafrecht besucht und viel darüber gelesen.«
»Seit gestern?«
»Nein.« Beinahe hätte sie gelacht, aber es blieb ihr im Hals stecken. »Seit ich auf dem College bin. Es interessiert mich einfach.«
»Aber du studierst doch Medizin.«
Sie blickte auf ihren Teller und pickte mit der Gabel an ihrem Rührei. »Ja.«
Er stand auf, öffnete den Kühlschrank und nahm eine Cola für sich heraus. Dann hielt er inne und blickte sie fragend an.
»Ich darf nicht … Ja, bitte. Ich hätte gerne eine Cola.«
Er öffnete beide Dosen und setzte sich wieder an den Tisch. Eine kräftige Frau mit blondem Pferdeschwanz trat ein. »Liz, das ist Deputy Marshal Norton. Terry, Liz.«
»Wie geht es dir heute, Liz?«
»Besser, danke.«
»Liz hat mich gerade nach unserem Vorgehen gefragt, aber sie scheint schon Bescheid zu wissen. Terry hat gerade das Büro des Generalstaatsanwalts angerufen. Während sie dich verhören, wird jemand vom Jugendamt dabei sein, wenn deine Mutter bis dahin noch nicht hier ist. Du machst deine Aussage freiwillig, Liz, aber …«
»Ich könnte als Kronzeugin zurückgehalten werden. Aber das ist nicht nötig. Ich muss kooperieren, ich muss einfach aussagen. Sagen Sie mir, ob die Volkovs zur russischen Mafia gehören?«
»Was wir glauben und was wir beweisen können …«
»Ich will wissen, was Sie glauben«, unterbrach Elizabeth ihn. »Ich finde, ich sollte meine Situation kennen. Vor dem Gesetz bin ich zwar noch minderjährig, aber ich bin kein Kind mehr. Ich habe einen IQ von 210 und begreife sehr schnell. Ich mag mich zwar töricht benommen haben, aber ich bin nicht dumm. Mir ist klar, dass sie mich im Visier haben, wenn ich einen Mord beobachtet habe, der auf Befehl des pakhan – des Bosses – ausgeführt wurde. Wenn ich aussage, wird Korotkii oder einer wie er alles tun, was er kann, um mich aufzuhalten. Und wenn meine Aussage zu Verhaftungen führt, dann bin ich immer noch eine Zielscheibe. Aus Rache.«
Sie schwieg und trank einen Schluck Cola aus der Dose. Erstaunlich.
»Letzte Nacht war ich angeschlagen – oder vielmehr, heute früh. Vom Alkohol, weil mir schlecht war, und dann
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