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Die letzte Zeugin

Die letzte Zeugin

Titel: Die letzte Zeugin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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mit scharlachroten Nelken.
    »Weißt du das alles, weil du es herausgefunden hast, oder ist es dir gesagt worden?«
    »Sie hat es mir gesagt. Ich wusste es immer. Das Wissen gehörte zu meiner Erziehung. Neben meiner körperlichen Gesundheit war meine Ausbildung das Wichtigste. Meine Mutter ist außergewöhnlich schön, und es enttäuschte sie, dass ich trotz meiner regelmäßigen Züge und meiner guten Haut im Aussehen nicht ganz ihre Erwartungen erfüllte. Allerdings machte ich das durch Intellekt und motorische Fähigkeiten wett. Im Großen und Ganzen war sie sehr zufrieden mit mir.«
    »Oh, Baby.«
    Sie erstarrte, als er ihr den Arm um die Schultern legte. »Du brauchst kein Mitleid mit mir zu haben.«
    »Das wirst du dir dieses eine Mal gefallen lassen müssen.«
    »Ich erzähle dir das nur, damit du meine grundlegende genetische Beschaffenheit verstehst. Meine Mutter war zwar im Großen und Ganzen mit mir zufrieden, aber sie liebte mich nie und wollte es wohl auch nicht. Sie hat nie akzeptiert, dass ich eigene Ziele, Pläne oder Wünsche haben könnte, während ihre Vorstellungen für mich äußerst spezifisch und detailliert waren. Sehr lange Zeit dachte ich, sie würde mich nicht lieben, weil ich in irgendeiner Hinsicht mangelhaft sei, aber letztlich verstand ich, dass sie mich einfach nicht liebte. Sie besitzt nicht die Fähigkeit zu lieben und ist es nicht gewöhnt, Zuneigung zu zeigen. Aufgrund meiner Gene und meiner Umgebung fehlt mir diese Fähigkeit auch. Aber ich verstehe, dass Emotionen und Zuneigung wesentlich für die Entwicklung und Erhaltung von Beziehungen sind.«
    Was für ein Quatsch, dachte Brooks. Laut jedoch sagte er vorsichtig: »Lass mich noch einmal rekapitulieren. Weil deine Mutter kalt, egozentrisch und gefühllos wie ein Sandfloh ist, glaubst du, du seist genetisch prädestiniert, ebenso zu sein?«
    »Das ist sehr hart formuliert.«
    »Ich kann es noch härter.«
    »Das brauchst du nicht. Wenn man Gene und Umwelt in Betracht zieht, was oft auch als Natur und Kultur bezeichnet …«
    »Ja, ich weiß, was das heißt.«
    »Jetzt bist du verärgert.«
    »Das ist noch milde ausgedrückt, aber nicht mit dir. Ich will dich noch etwas fragen. Wenn du genetisch so unfähig zu Liebe und Zuneigung bist, wie kommt es dann, dass du diesen Hund liebst und er dich? Und versuch nicht, dich mit Training herauszureden.«
    »Wir brauchen einander.«
    »Dass man sich braucht, gehört sicher dazu. Aber wenn er jetzt nun verletzt oder krank wäre und nicht mehr als Wachhund fungieren könnte, würdest du ihn dann abgeben?«
    »Nein, natürlich nicht.«
    »Das wäre auch kalt, egozentrisch und absolut gemein, und das bist du nicht. Und außerdem liebst du ihn.«
    »Er ist ein Hund, kein Mensch. Es gibt durchaus Leute, die Tiere sehr gern haben, aber nicht das Gleiche für andere Menschen empfinden.«
    »Du empfindest aber etwas für mich.«
    Abigail fiel keine Antwort ein. Stumm starrte sie auf ihr Weinglas.
    »Was ist mit deinem Vater?«
    »Spender.«
    »Okay, was ist mit dem Spender? Auch wenn sie dir nichts über ihn erzählt hat, dann hast du es bestimmt herausgefunden, wer er ist. Du bist viel zu klug, um dich nicht dafür zu interessieren.«
    »Sie wollte mir weder seinen Namen noch Details sagen. Aber als ich zwölf war, hatte ich … hatte ich Zugang zu diesen Informationen.«
    »Sie hat die Akte aufbewahrt.«
    »Sie hat es vermutlich wichtig gefunden, seine Gesundheit und andere potentielle Problembereiche zu verfolgen. Deshalb hat sie Dateien über ihn geführt. Ich habe sie gehackt.«
    »Mit zwölf?«
    »Ich hatte immer schon Interesse an Computern. Er ist Arzt. Sehr erfolgreich und respektiert. Er war Anfang zwanzig, als er seinen Samen gespendet hat, einige Jahre jünger als meine Mutter damals.«
    »Weiß er von dir?«
    »Nein.«
    »Du hättest Kontakt zu ihm aufnehmen können.«
    »Warum? Warum sollte ich in sein Leben, seine Familie eindringen? Wir haben lediglich eine biologische Verbindung.«
    »Er hat eine Familie?«
    »Ja. Er hat mit einunddreißig geheiratet. Als ich mir Zugang zu den Informationen beschaffte, hatte er gerade ein Kind und erwartete das zweite. Inzwischen hat er drei Kinder. Ohne mich. Ich bin nur das Ergebnis seiner Samenspende.«
    »Ist er immer noch verheiratet?«
    »Ja.«
    »Dann ist er also in der Lage, eine Beziehung zu entwickeln und aufrechtzuerhalten. Du hast auch seine Gene.«
    Einen Moment lang, einen langen Moment, blickte sie einem Kolibri nach – seinem

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