Die letzten Dinge - Roman
besoffen von einem Bett ins andere zu wälzen und am Tag als verkrachte Schwuchtel ohne Ausbildung …
Das nimmst du sofort zurück!
Kurtacker fing an zu grollen und zu wüten und ein unartikuliertes Drohen entrang sich ihm. Lotta knallte die Tür wieder vor ihm zu.
Ich … ich nehme es zurück … nein, ich nehme gar nichts zurück! Verkrachter … Bisexueller!!
Ivy wusste nicht mehr, was er sagen sollte.
Na und?, murmelte er. Dann nahm er seine Kiste und suchte unkonzentriert in Kurtackers Zimmer nach Wurfgeschossen, die er für morgen aus dem Weg räumen musste. Eine leere Limonadenflasche. Die Vase auf der Fensterbank. Die Taschenlampe. Das Bonbonglas. Der Aschenbecher. Die Nachttischlampe würde er morgen holen.
Es war gemein, was Lotta gesagt hatte, sehr gemein. Verkrachte Stationshilfe. Blöde Kuh. Assi-Braut. Aber er hatte ihr ja auch einiges gegeben. Auf einmal ging die Tür wieder auf und Lottas nasses Gesicht erschien in einer Wolke von Nebel.
Sorry, wir dürfen uns jetzt nicht streiten, sagte sie. Wir müssen morgen an einem Strang ziehen. Tut mir leid, was ich gesagt habe.
Ivy hob den Kopf, musterte sie und sah sie schräg an.
Mir auch. Na ja. Es ist egal, wie es morgen wird: wir ziehn das jetzt durch.
Und die weißen Nebel um Kurtacker wallten aus der Tür, Nebel der Hoffnung, Nebel der Sehnsucht, Nebel der Seife und der Hitze, Nebel der Scham, der Angst und der Wollust.
Lotta nickte.
Ja, wir ziehn es durch.
Gianna starrte Frau Eisbrenner an , die im Bett lag und im Nachthemd immer noch weiter monologisierte.
Auf dem Amt die Bezugsscheine holen und die Bücher sind schon gemacht, will der zum Bezirksamt, damit ich den Krankenschein von der Kasse und das sind schöne Pilastersäulen aus Blattgold am Nussbaumschrank, es war immer so schön, so schön mit dem Boot, muss ich doch noch auf die Kommandantur oder gehen wir lieber Krautsalat machen …
Es war verboten, das Bettgitter hochzumachen, wenn noch kein gerichtlicher Beschluss vorlag.
Ach, das Scheiße, hatte Nadjeschda gesagt. – Muss denken! Frau Eisbrenner braucht Gitter, sonst fällt. Deutsche Gesetz hat keine Ahnung!
Und Nadjeschda hatte das Gitter hochgemacht.
Gianna zweifelte. Sie musste an den verstorbenen Herrn Prinz denken, dem hatte sie auch das Gitter an das Bett gemacht, obwohl noch keine gerichtliche Erlaubnis dafür vorlag. Und da hatte sie eine Abmahnung vom Haus bekommen.
Wir sind ja nicht mehr im Dritten Reich, hatte es geheißen. Wo man Alte und Hilflose einsperrt und dahinvegetieren lässt. Ein Gitter hat immer etwas Entwürdigendes. Das muss erst genehmigt werden.
Gianna hatte Angst. Wenn der Heimleiter oder die Pflegedienstleitung kam, kriegte sie Ärger. Immerhin musste sie heute für Frau Eisbrenner zeichnen. Die Tür ging auf und Nadjeschda kam herein.
No? Frau Eisbrenner? Wie geht?
Die Servietten passen schön und das Grab ist auch schon gemacht, wenn wir später zum Arzt, muss ich auf die Ämter und machen einfach ein paar Würstchen …
Uuui, sagte Nadjeschda. Muss Frau Eisbrenner aber viel erzählen! Aber ui … – geht gut! Hat sehr gut gegessen, sehr gut getrunken, hat kein Fieber mehr, no, gutt! Frau Eisbrenner, sehr gutt!
Ich will zur Beichte gehen und den Schirm nehmen, wo bin ich denn hier?
Nadjeschda nahm Frau Eisbrenners Hände und drückte sie liebevoll.
No, Sind Sie hierr bei gute Schwestern!
Oh, bei den guten Schwestern! Das ist viel wert! Dann kann ich einkaufen gehen und die Knöpfe bestellen …
Jetzt wir machen Gitter an Bett!
Aber Nadjeschda, wir abbe keine Genehmigunge und abbe keine Formular!
Das Scheiße, das Formular! Ich mache Bettgitter! Schluss!
Nadjeschda hob die braunen Schienen und zog sie hoch, bis sie einklickten.
Das lass! Gianna! Lasse so! Ich sage!
Und als sie hinauslief mit einem leeren Katheterbeutel in der Hand, blieb Gianna noch einen Augenblick stehen. Sie hatte großen Respekt vor Nadjeschda. Nadjeschda war wie ein Doktor. Alles, was Nadjeschda sagte, stimmte.
Aber Gianna durfte auf keinen Fall noch eine Abmahnung bekommen. Sie liebte ihre Arbeit, obwohl sie so schwer war, und sie wollte hierbleiben. Vorher hatte sie Arbeit in der Fabrik gehabt, Deckel auf Käseschachteln machen im Akkord. Das war auch gut gewesen, eine gute Arbeit. Aber hier im Altersheim war es viel besser.
Schön schlafe, Frau Eisbrenner sagte sie. – Abbe Sie eine gute Nacht und träume Sie schön!
Zögerlich blieb sie stehen, lauschte noch einen Moment dem Sermon von Frau
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