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Die letzten Dinge - Roman

Die letzten Dinge - Roman

Titel: Die letzten Dinge - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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würden, mal in einen Sportverein gehen würden, sich unter Menschen begeben … dann können auch Sie noch was aus Ihrem Leben machen!
    Kurtacker schüttelte den Kopf. Es war die Wut. Die Wut, die in ihm wohnte, die er nicht bändigen konnte. Selbst Lottas Vorschläge machten ihn jetzt wütend. Die Wut schlug alles kurz und klein. Sein ganzes Leben. Und er war krumm und kreuzlahm und die Zähne waren ihm ausgefallen. Er wollte tot sein, weiter nichts. Sie sollten nicht versuchen, ihm vom Leben zu erzählen. Und er winkte ab. Wollte nichts mehr hören.
    Aber Lotta band sich eine lange, durchsichtige Plastikschürze um. Zog Gummihandschuhe an und krempelte die Ärmel auf.
    Wir fahren jetzt.
    Stumm und ergeben ließ Kurtacker sich in die Dusche fahren. Sein Oberkörper war ohnehin nackt. Seine Jogginghose hing nur lose mit einem weiten Gummibund um ihn herum. Lotta zog ihm die Schuhe aus, ließ ihn sich festhalten an einem Griff in der Wand und so konnte er einen Augenblick stehen. Sie streifte ihm die Hose herunter und ließ ihn sich auf einen Plastikstuhl setzen.
    Das Wasser war zu kalt. Kurtacker schrie mörderisch, schäumte von einem Augenblick auf den anderen, Lotta floh um die Ecke, nach zwei Minuten kam sie wieder.
    Tschuldigung, sagte Kurtacker demütig und nackt und mit gesenktem Kopf.
    Alles klar, Herr Kurtacker.
    Und als Lotta nach einer Weile das warme, weiche Wasser auf ihn fließen ließ und ihn mit duftendem Limonenschaum einseifte und ihm wieder und wieder den Rücken wusch, da hielt er ganz still und ließ sich alles gefallen.
    Du hast einen geilen Arsch, murmelte er noch, ansonsten hielt er still. Lotta sah seinen gebeugten Rücken, sah, wie er sich gleichsam in zwei Hälften teilte, wie die Rippen sich voneinander abzustoßen schienen, seine Wirbelsäule lag so tief, dass man am Buckel eine Hand hineinschieben konnte, und die Schulterblätter waren rund und legten sich auf den Rücken wie zwei kleine, vergessene Panzer, die den Körper nicht hatten schützen können. Weiß war die Haut, sehr weiß. Sie hatte seit Jahren keine Sonne gesehen. Die Beine dünn und muskellos. Die Schultern breit, als hätte Kurtacker Zimmermann werden sollen oder Möbelpacker, wie überhaupt sein Nacken breit war und er eine kräftige Gestalt hätte haben sollen, hätte das Schicksal ihn nicht so kreuzlahm geschlagen.
    Zärtlich seifte Lotta ihn ein, wieder und wieder. Das Wasser lief höher und höher. Lottas Schuhe wurden nass und ihre Waden, ihr lief die Brühe in die Stirn, ihre Haare klebten an der Wange. Aber sie seifte Kurtacker noch einmal ein. Sie hatte ihre Lebensbestimmung gefunden. Außerdem musste diese Waschung vielleicht für viele Jahre halten.
    Die Tür ging auf und Ivy sah um die Ecke.
    Tach auch! Ouh, hier duftet es ja. Lotta, wie hast du das geschafft? Wie? –
    Das frage ich mich auch.
    Lotta legte die Hände auf die Lippen. Wenn Ivy zu viel sagte, konnte Kurtacker wieder ausrasten. Und sie hatten so einen Frieden, so einen Frieden.
    Sie legte jetzt die Waschlappen zur Seite und spülte klares Wasser über Herrn Kurtacker, der immer noch verschämt und versonnen auf dem Stuhl hockte. Lotta war stolz, sehr stolz, sie hatte den Teufel selber gezähmt und ihm den Kopf gewaschen. Wer sollte ihr das nachmachen, wer?
    Wir müssen gleich mal quatschen, was da überhaupt stattfinden soll, flüsterte Ivy.
    Na ja!
    Lotta steckte den Kopf aus der Tür.
    Was soll denn da schon stattfinden! Sie wird ein wenig strippen und ihn vielleicht da wo anfassen … und mehr geht ja nicht.
    Aber wenn er sie nageln will?
    Nee, das schafft er nicht … sie soll ein wenig mit dem Hintern wackeln … und fertig.
    Also, mir würde das nicht genügen.
    Von einem Augenblick zum anderen wurde Lotta wütend, vergaß Kurtacker und trat aus der Tür.
    Ja dir!! Dir reicht es ja nie! Du kriegst ja den Hals nicht voll!!
    Was soll’n das heißen, hör mal?
    Das, was es heißen soll! Du bist ja … du bist ja … notgeil! Nachts dich rumtreiben und tags nix auf die Reihe kriegen! Und uns dafür schuften lassen!
    Dann knallte Lotta die Tür zu und war wieder mit Kurtacker alleine und rubbelte ihn ab mit allem Ingrimm, den sie verspürte. Ivy blieb vor der Tür stehen und überlegte, ob er sich wehren sollte.
    Dann riss er die Tür auf und rief in den Dunst hinein:
    Du kriegst selber nichts auf die Reihe – vierundzwanzig und nichts gelernt und gestörte Beziehungen und lebst glorreich im Altersheim!
    Immer noch besser, als mich nachts

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