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Die letzten Dinge - Roman

Die letzten Dinge - Roman

Titel: Die letzten Dinge - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Eisbrenner:
    Die Knöpfe bestellen bei Bundeszentralkasse wegen dem Heft, das habe ich in die Schublade gestellt und ich weiß auch nicht, bringen wir die Gießkanne zu dem Herrn Doktor, der wollte die josephinische Truhe, aber die Truhe, die hat Intarsien aus Perlmutt mit Kapitellchen und morgen früh lieber Zwetschgenkraut …
    Gianna löste das lockere Gummi aus den Haaren, raffte diese neu zusammen und zog das Gummi wieder stramm um die grauen Löckchen.
    Erst mal eine rauchen gehen. Überlegen, überlegen. Abends ging oft noch mal der Heimleiter durch das Haus und sah, ob alles in Ordnung war. Und wenn er dann sah, dass sie, Gianna, das Bettgitter hochgemacht hatte … nein. Nein, sie wollte sich nichts zuschulden kommen lassen. Sie wollte rauchen gehen … und wenn Nadjeschda weggegangen war, dann machte sie schnell das Gitter wieder runter. Basta.

Es war still   im Gebälk, nur schwebende Stille. Aber die Stille lebte.
    Unhörbar bewegte sich die Seele und verweilte dann vor den offenen Schränken der vergessenen Kleider. Verweilte im eigenen Vergessen, erinnerte sich und vergaß das Erinnern.
    Dann erschrak sie vor der sich öffnenden Tür, suchte sich in den Ecken zu verbergen und fürchtete sich. Dieser ruhigste Ort im Haus hatte seine Ruhe verloren, die Seele hatte keine Heimstatt mehr, sie wurde dauernd gestört.
    Sehen Sie? Sehen Sie?? Da ist es!, rief Pater Ludolfus mit aufgerissenen Augen und ausgestreckten Fingern.
    Eine kleine, grazile Dame um die Fünfzig mit feinem, honigblondem Haar und einer mildtätigen Ausstrahlung trat herein und nickte.
    Oh ja, sagte sie. Oh ja. Ach …
    Sie bekreuzigte sich. Mein Gott.
    Es schien, als wollte Frau Rittmeister in die Knie gehen. Sie trug ein enges, grün kariertes Kostüm und eine Perlenkette dazu und einen Hauch von Lippenstift.
    Können Sie es sehen … ich meine … sehen Sie noch mehr als ich?
    Oh, sagte Frau Rittmeister und bekreuzigte sich. Pater Ludolfus bekreuzigte sich auch. Die Seele bekreuzigte sich ebenfalls.
    Es ist eine sehr … äm, hartnäckige Seele, sagte Frau Rittmeister.
    Ist es eine Frau?
    Hm, ja, es ist eine … ich sehe eine alte Seele, sie ist recht … alt. Eine Ordensfrau. Ja, es ist eine Nonne.
    Der Pater war bestürzt. Eine Nonne?
    Ja, einen Augenblick.
    Frau Rittmeister schloss die Augen und murmelte etwas vor sich hin.
    Das weiße Gebilde schien Vertrauen zu fassen, es schwebte ein wenig näher heran und den Pater gruselte es und es freute ihn in einem. Frau Rittmeister stand vor ihm, sie hatte schöne Beine. Ihre Ausstrahlung von Liebreiz verwandelte die ganze Kammer. Andächtig lauschte Ludolfus und versuchte zu verstehen.
    Ich weiß, sagte Frau Rittmeister eben. Ja. Ich gebe Ihnen Recht. Ja … Ach Schwester … ach … ja, ein Erbarmen.
    Unterstützend begann Pater Ludolfus leise zu beten.
    Was meinen Sie, kann ich ihr helfen, wenn ich …
    Frau Rittmeister hob bittend die Hand, um ihn zum Schweigen zu bringen. Sie näherte sich nun ebenfalls dem weißen, scheinenden Fleck und folgte ihm zu den Schränken, dann zu der Nähmaschine und dem Bügeleisen.
    Sie beschwert sich, flüsterte Frau Rittmeister.
    Warum beschwert sie sich denn?
    Sie sagt, sie kann das Bügeleisen nicht mehr halten. Sie kann die Nähmaschine nicht mehr treten. Es ist alles zu schwer. Sie will flicken und sticken und die Kleider ausbessern …
    Pater Ludolfus blickte angestrengt auf das Gespenst, so angestrengt, dass er es förmlich durchbohrte und hinter ihm der Tisch mit dem Zentimetermaß durchschien.
    Es will arbeiten?
    Sie … sie hat ihr Leben lang hier gearbeitet. Sie will immer noch arbeiten.
    Franziskanerinnen!, brach es aus Ludolfus hervor. Hier waren Franziskanerinnen drin! Die haben das Haus geleitet!
    Die Seele verbeugte sich, nickte zustimmend.
    Schwester … Schwester … wie?, sagte Frau Rittmeister. – Sie ist … so … fleißig und emsig.
    Aber … wieso … wieso ist sie noch hier, wieso ist sie nicht in den Himmel …
    Moment … Frau Rittmeister winkte ab, lauschte, nickte wieder. Sagte Ja, und noch mal: Ja. Gut.
    Sie setzte sich auf den Stuhl an der Nähmaschine, legte die Hände auf die Knie und schloss die Augen. Fortan wurde das Gespräch offenbar telephatisch fortgesetzt. Pater Ludolfus sah, wie sich Frau Rittmeisters Augen unter den Lidern hin und her bewegten, sah, wie sie erstaunt die Brauen hob und dann mitfühlend den Kopf zur Seite legte. Dann und wann hob sie die Hand, als wollte sie jemanden beruhigen, ließ die Hand

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