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Die letzten Dinge - Roman

Die letzten Dinge - Roman

Titel: Die letzten Dinge - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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ausgehandelt.
    Ludolfus lachte. Bedingungen, das war sehr komisch.
    Welche Bedingungen?
    Nun, sie will noch so lange hierbleiben, bis der nächste Mensch stirbt. Wenn dann die Engel der Heimkehr sich versammeln um dieses arme Wesen, dann … vielleicht … wird auch sie sich diesen Engeln anvertrauen.
    Pater Ludolfus nickte. Das gefiel ihm. Das wäre einfach wunderbar. Er betrachtete noch einen Augenblick Frau Rittmeisters Beine, verwünschte kurzfristig sein Zölibat und nickte, als hätte er nur Heiliges im Sinn.
    Wie schön, dass Sie sich Zeit nehmen konnten.
    Ja, sie hat schon ein wenig Wirbel verursacht, diese Sendung.
    Kann ich mir vorstellen, gut, dass ich der erste Anrufer war.
    Ja. Wenn ich helfen kann, komme ich sehr gerne …
    Schwester Konrada …, murmelte Ludolfus und schüttelte den Kopf.
    Eine ältere Dame mit kurzem Haar und schwarzem Rock kam auf Gesundheitsschuhen daher:
    Darf ich bitte abkassieren? Wir schließen jetzt.
    Ist gut, sagte Pater Ludolfus ergeben und nickte noch einmal versonnen, langte nach seinem Geldbeutel und sagte:
    Alles zusammen.

Ich weiß nicht   , ob das Kassengestell mit dem Herbert auf dem Wäldchestag Lebensmittelkarten gibt, muss ich doch meinem Mann jetzt die Abrechnung hinlegen oder soll ich heute ins Geschäft, vielleicht kann der Siegmund das reparieren, ich muss ja den Zettel zum Versorgungsamt schnell noch die Blumen, sagte Klara Eisbrenner.
    Aber niemand antwortete.
    Die Nachtschwester war da gewesen, hatte sie im Schlaf betrachtet, die Gardinen zugezogen, Wasser in das Glas geschüttet und sie richtig zugedeckt, ein kleines Flurlämpchen angemacht und nachgesehen, ob sie vielleicht zur Toilette gehen musste. Aber sie hatte sie schlafen lassen und war fortgegangen.
    Nun war Frau Eisbrenner erwacht und sie suchte ihre Brille, tastete auf dem Nachttisch und fand sie schließlich. Sie reckte sich und setzte die Brille auf.
    Der Lehrer ist schuld und wenn ich in den Konfirmandenunterricht gehe, brauche ich das blaue Kleidchen, in der Kirche gibt es Fleischwurst und der Egon darf das nicht, den Buss verpasse, muss ich den ganzen Weg laufen.
    Frau Eisbrenner suchte ihre Schuhe, aber sie wusste nicht mehr, dass sie aus dem Bett steigen musste, um ihre Schuhe zu suchen. Ein vager Drang, als müsse sie auf die Toilette gehen, ein Gefühl, als suche sie etwas – hatte sie nicht etwas verloren? Schließlich kniete sie auf allen vieren, sie verhedderte sich im Nachthemd und kroch unruhig hin und her.
    Wenn ich hier losgehe, bin ich in einer Stunde vor dem Apfelwein, sollen wir Bötchen fahren, ich war lange nicht mehr beim Mütterverein, hat doch der Willi sich wehgetan, wenn der die Bezugsscheine holt, der ist Luftschutzwart geworden … der immer geklebt hat …
    Der Mond schien durch eine Ritze im samtenen Vorhang, schien auf das Brokatdeckchen auf der Musiktruhe und ließ den Boden glänzen.
    Im Geiste ging Frau Eisbrenner auf alle Ämter dieser Stadt, holte Bezugsscheine und Lebensmittelkarten und Krankenscheine und Stempel für alle Bücher, die sie führte. Es war wichtig, dass alles erledigt war. Und als Nächstes musste sie unbedingt auf das Versorgungsamt. Heute noch. Jetzt. Jetzt auf der Stelle. Ein Bein steckte sie aus dem Bett, dann zog sie es wieder zurück, sie drehte sich und suchte die Richtung, kletterte über Nachttisch und Stuhl – da! Da war die Tür! Frau Eisbrenner musste sich beeilen, so beeilen. Die Tür vom Versorgungsamt stand weit offen und Frau Eisbrenner wollte schnell hinein, sie musste pünktlich sein, es war wichtig, immer pünktlich zu sein, wenn man auf ein Amt musste. Und sie streckte den Arm aus und wollte die Tür aufhalten, die durfte keinesfalls zufallen, und Frau Eisbrenner wollte unbedingt hinein!
    Und sie beugte sich nach vorne und fiel, sie fiel, fiel endlos, sie fiel lange, sie taumelte im Fall, aber der Fall hörte niemals auf. Sie wäre aufgeschlagen, wäre zugerichtet, zerschunden und zerschellt, wäre da nicht auf einmal diese kleine, alte Nonne gewesen, die ihr die Hände entgegenstreckte und sie selig anlächelte, eine schöne alte, ein wenig buckelige Nonne mit einem gütigen Gesicht und hunderttausend Falten. Sie war ihr seltsam vertraut, als hätte sie sie schon einmal im Traum an ihrem Bettrand stehen sehen, Frau Eisbrenner wurde es wohl, so wohl. Die kleine Nonne schien ihr so liebenswürdig, so freundlich im strahlenden Licht, sie eilte der kleinen Nonne entgegen, die sie sogleich an der Hand packte und sich mit ihr

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