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Die letzten Dinge - Roman

Die letzten Dinge - Roman

Titel: Die letzten Dinge - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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ganz schwindelig. Ivy sank ungefragt auf Lottas Bett.
    Hast du dich denn nicht verkühlt, das ist doch frisch, da unten!
    Jou. Dann wird auch keiner schimmelig.
    Lotta betrachtete ihn aufgeregt. Was sollte sie denn nur machen?
    Ich koche dir eine heiße Brühe! Da sind ordentlich Mineralstoffe drin, das macht dich stark! Du musst ja auch viel trinken, um alles auszuschwemmen. Alle Giftstoffe! Was haben sie dir denn gegeben … oder … hast du in der Nacht auch irgendwas … äm, eingenommen?
    Ach was. Ich bin doch gar nicht in die Disco reingekommen. Wo hätte ich denn was kriegen sollen, ich war ja praktisch nur … Ich darf gar nicht … Ich muss an was anderes denken. Ou Mann …
    Ich … ich kann dir den Fernseher anmachen! Da läuft … ich weiß nicht, Enterprise oder so?
    Enterprise wär cool. Optimal.
    Lotta hopste zum Fernseher und ließ das Töpfchen voll Wasser laufen. Ivys Kopf hing schwer über die Bettkante, der schwarze Schopf, der Kopf, der schwerer wog als Blei.
    Weißt du, du kannst auch gleich ein heißes Bad nehmen, wegen der Knochenschmerzen, wenn man so verkatert aufwacht, dann ist ein heißes Bad das Beste! Ich habe Badedas mit Rosskastanienextrakt.
    Ivy nickte. Ja. Ein heißes Bad wäre auch gut. Alles war gut, wenn er sich nur nicht kümmern musste. Fredderik, pochte es in seinem Kopf, Fredderik, Fredderik, sollte er nur nach ihm suchen, treuloses Monster, schäbiger Maulheld, Schuft und Schwein und Scheusal, einen Mord könnte man begehen wegen ihm. Fredderik.
    Kannst du mir mal das Handy suchen, ich müsste vielleicht mal …
    Lotta fischte das Handy aus der blutigen Jacke. – Da ist der Akku leer.
    Gottseidank, murmelte Ivy.
    Du mußt das blutige Zeug ausziehen, sagte Lotta. -Das ist nicht gut. Da steckt nur die miese Erinnerung drin. Ich habe noch ein Sweatshirt in XXL, das kannst du anziehen, duftet auch nach … wie hieß das noch mal: frischer Frühling oder so.
    Ja. Ja, das ist gut. Gib mir den frischen Frühling.
    Und Ivy ließ sich fallen, ließ sich zudecken, ließ sich Brühe bringen und ein Ei mit scharfem Senf, legte den Kopf auf Lottas Kissen und sah der Crew der Enterprise zu, die in ferne Galaxien flogen und einen Planeten fanden, auf dem die Menschen sich mithilfe ihrer Gedanken in Blüten, Mineralien und Tiere verwandeln konnten und sogar in die Enterprisebesatzung und in Klingonen. – Wechselbalge sind das, sagte Mr.  Spock. – Das sind Wechselbalge.
    Aah, sagte Ivy. Und er hörte kaum, dass Lotta schnell das Zimmer verließ, um unten im Laden etwas einzukaufen, und dass sie wenig später hochkam, entschlossen einen weiteren Topf auf die Kochplatte setzte, anfing, Zwiebeln zu schneiden, und gleichzeitig drüben das Badewasser einlaufen ließ.

Das älteste Sotzbacher Mädchen   hatte keine Zähne. Keinen einzigen. Sie spürte, dass etwas nicht stimmte, und befühlte immerzu mit dem Finger das Zahnfleisch. Seit Tagen hatte sie nur Püriertes gegessen. Sie wollte aber Fleisch. Gulasch. Dicke Würstchen essen und nicht nur das weiche, gepellte Wurstige zum Lutschen. Hatte sie nicht ein Recht darauf, noch einmal kräftig zuzubeißen?
    Jeden Abend, wenn die Kinder kamen, stritten sie deshalb: Nein, du kriegst keine neuen Zähne mehr, Mutter! Du hast schon drei Gebisse verloren oder verschludert -wir haben jedes Mal 2000 Euro bezahlt, wo sollen wir das denn hernehmen, du kriegst jetzt kein neues Gebiss mehr!
    Das Sotzbacher Mädchen empörte sich, schlug mit der Faust auf den Tisch und sagte: Ich muss aber kauen! Wozu habe ich euch großgezogen, ihr undankbares Pack!
    Gibt es denn keine Möglichkeit? hatte Pfleger Kevin im Speisesaal gefragt. – Sie kann doch nur noch passierte Kost essen und wie sie aussieht, das ist doch menschenunwürdig. Kann man denn da nichts machen?
    Nein! sagten die kleinen Verwandten, die ebenso dick und rund waren wie das älteste Sotzbacher Mädchen. -Wir haben schon ein Vermögen ausgegeben für die Gebisse! Wenn Sie hier alle ein wenig besser aufpassen würden, dann hätte sie ihre Zähne noch!
    Der alte Wickert – ein Leben für die Henninger-Brauerei –, wusste, dass das Sotzbacher Mädchen keine Würste mehr kauen konnte und sich sehr darüber ärgerte. Und deshalb sah er sie an und nahm seine zwei Frankfurter Würstchen vom Abendbrotteller: Guck mal! Das sind meine Würstchen! Und guck mal, was ich damit mache!
    Er stopfte sich die Würste je in ein Nasenloch, dass sie krumm nach außen herunterhingen wie bei einem Säbelzahntiger.
    Ich

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