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Die letzten Dinge - Roman

Die letzten Dinge - Roman

Titel: Die letzten Dinge - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Kartoffelsalat mit Würstchen … Es war der Speiseplan von nächster Woche.
    Aber Frau Wissmar!, rief sie.
    Was denn, bitte?
    Das morgen! Termin erst morgen! Frau Wissmar zu fruu! Wie iiemer! Muss morgen gehen! Morgen sich vorstellen, dann gutt!
    Oh – wirklich? Ach, … sehen Sie mal an. Da habe ich mich verlesen. Wie gut, dass Sie mich darauf aufmerksam gemacht haben. Also so was. Gut, dann … dann ziehe ich mich noch mal zurück, dann werde ich jetzt … dann … sagen Sie, wie ist der Name von diesem Projekt noch mal?
    Was Projekt?
    Na, … dieses Experiment, an dem ich hier teilnehme?
    Ach das, Frau Wissmar, das KUR! Sie sind in Kur, haben zu viel gearbeit!
    Oh!
    Frau Wissmar nickte zufrieden. Sie war in Kur. Das war ihr gar nicht bewusst gewesen. Kur. Das war gut. Natürlich hatte sie zu viel gearbeitet. Sie hatte immer zu viel gearbeitet. Die Kur war sehr nötig gewesen, sie freute sich. Endlich mal erholen.
    Und was steht jetzt auf dem Programm?
    Oh, Frau Wissmar, ich bringe Sie jetzt in Aufenthaltsraum, dort ist Mann mit Akkordeon, macht schöne Musik! Können auch gehen Sitzgymnastik oder mache unten schöne Gestecke für Advent … bei uns ieemer Programm!
    Oh! Frau Wissmar war entzückt. Sie liebte Musik. Sie klatschte in die schmalen Händen, jauchzte und ließ sich bereitwillig in den Aufenthaltsraum fahren.
    Oh, der vornehme Mann, oh er macht wieder seine schöne Musik! Das gefällt mir. Ja, DAS ist schön!
    Das Sotzbacher Mädchen saß schon da und sang aus vollerm Halse: »Lustig ist das Zigeunerleben, Faaria, Faaria, Hoh.« Alwis sang: Deddeddedei, deddedei. Und Frau Schlecker saß mittendrin, krumm und verwurstelt wie eine Schnecke im eigenen Gehäuse, als ginge sie das alles nichts an.
    Na, Frau Schlecker?, lachte der Mann im schwarzen Anzug froh und quetschte seine Kommode: Wie finden Sie die Musik?
    Beschissen, sagte Frau Schlecker.
    Gut, sagte der Mann im Anzug. – Dann spielen wir jetzt was anderes. Sollen wir noch mal das Lied von der Rosemarie singen?
    Ja, ja. Alle nickten. Sie liebten das Lied. Und wegen der Schwester Rosalinde tauften sie das Lied jedes Mal um: »Oh Rosalie, oh Rosalie, sieben Jahre mein Herz nach dir schrie, aber du hörtest es nie …
    Jetzt bin ich alt, jetzt bin ich alt, aber mein Herz ist immer noch nicht kalt …«
    So sangen alle Leute. Nur Herr Wickert – Prost Henninger – sang eine andere Melodie. Aus vollem Herzen und so laut er konnte, sang er: … Jetzt bin ich alt, jetzt bin ich alt – aber meine Wurscht ist immer noch nicht kalt …

Jewgeni Schiwrin   drückte die Nase tiefer in das braune Cordsamtsofa, zog die grüngelbkarierte Wolldecke höher und rührte sich dann nicht mehr. Er rührte sich so lange nicht, bis jemand kam, der ihn rührte, ihn anfasste, zum Trinken zwang oder zur Toilette begleiten wollte. Er drückte seine Nase so tief in die Ecke, dass sie in der Ritze vom Sofa verschwand.
    Es klopfte, es bollerte, heran rauschte ein unverkennbarer Schritt.
    No, Herr Schiwrin! No wos! Warum du liegst ganze Tag auf Sofa! Ich habe dir gesagt: stehst du auf, Herr Schiwrin! Das alte Sofa, ich kann nicht leide, das Sofa! Wie soll ich dich waschen!
    Schiwrin bewegte sich nicht, hörte aber andächtig Nadjeschdas russischen Worten zu. Musik in seinen Ohren. Er kicherte und grinste in die Sofaecke hinein.
    Geh, Herr Schiwrin! Ich werde jetzt waschen!
    Ich muss nicht waschen.
    No wos! Aber muss! Muss! Ein Mann will immer nicht waschen, das nicht gut!
    Nadjeschdas hübsche Ohrringe mit dem feinen Ornament zitterten an ihren Ohrläppchen und sie strich sich durch die braune Kurzhaarfrisur.
    Ich gehe, ich mache Wasser.
    Und sie lief in das Bad, stellte die Schüssel in das Waschbecken und wartete auf warmes Wasser.
    - Oichee – warmes Wasser dauert zu lange, iemer klappt nicht warmes Wasser bei Herr Schiwrin.
    Das Wasser lief und lief, endlich wurde es wärmer. Nadjeschda gab einen Spritzer Schaumbad hinein, zog die Gummihandschuhe an und nahm die Waschschüssel vor ihren ordentlichen Busen.
    Und jetzt, Herr Schiwrin! Ich muss bucken oder was? Warum du gehst nicht in Bett? Bett ist viel besser! Guck mal, so ich muss bucken und mein Rucken schon geplatzt!
    Oichee, sagte Herr Schiwrin und drehte sich vorsichtig um – aber du musst nicht waschen, sibirische Seele!
    Doch! Muss!
    Und Nadjeschda schälte ihm den Pullover von den Rippen und betrachtete seinen mageren Körper im viel zu großen Unterhemd, die Haut war weiß und schuppte sich, der Bauch war tief

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