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Die letzten Dinge - Roman

Die letzten Dinge - Roman

Titel: Die letzten Dinge - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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diese leere SMS. Oh Fredderik, was hatte er ihm nur angetan, ach, hätte er ihm doch was angetan, hätte er ihn doch nur … Vielleicht war es auch gut, dass Fredderik nicht mitgekriegt hatte, wie sehr er litt. Bei näherem Hinsehen war es eigentlich nur gut. Fredderik wusste vielleicht überhaupt nicht genau, wie sehr es ihn erwischt hatte. Dabei hatte doch die ganze Disco hingeschaut, als plötzlich der Tisch vom Kassierer durch die Luft flog, jetzt erinnerte er sich wieder. Man hatte ihn nicht durchlassen wollen und deshalb hatte er den ganzen Eintrittstisch durch die Gegend geschmissen. Und trotzdem war es gut, dass Fredderik nicht wusste, wie sehr er litt. Ivy torkelte zur Stereoanlage und legte Milva auf: … Aber meine Tränen, werd ich mir bewahren, was ich um dich leide, wirst du nie erfahren … ach Milva. Milva und sein Kopfkissen waren sein einziger Trost.

Padre!  , flüsterte Gianna Regiannini in der kühlen Kirche dem Pater zu. – Bin ich extra gekomme in mein Mittagspause! – Padre, elfe mir bitte! Wir abe ein Problem in Pflegeheim, wo ich arbeit!
    Gianna hatte sich beim Fünf-Minuten-Gebet in der Mittagspause angestellt, um den Kapuzinermönch Ludolfus aufzusuchen, der in einer Nische der Vinzentiuskapelle für jeden Gläubigen und Ratsuchenden zu sprechen war. Ludolfus hatte heute schon für viele beten müssen: für einen arbeitslosen Sohn, für eine krebskranke Mutter, für einen trunksüchtigen Ehemann. Jetzt aber kam Pflegehelferin Gianna angeschossen, bekreuzigte sich dreimal und ehe er sich’s versah, hatte sie schon nach der Kordel seiner Kutte gegriffen und küsste den letzten Knoten mit drei Küssen. – Ach, die Italiener!
    Padre Ludolfus!
    Der Pater kannte Gianna schon lange, denn oft kam sie mittags herübergelaufen und küsste die Füße der heiligen Madonna im Mittelschiff. Sie stellte Kerzen um Kerzen auf und brachte Blumen, lamentierte flüsternd, winkte der Madonna zu und überschüttete die thronende Figur abermals mit Küssen auf die Füße und streckte sich und tätschelte Maria die abgegriffenen Hände. Ludolfus’ Meinung nach tatschte sie ein wenig zu viel an der Statue herum, fuchtelte und wirbelte viel zu sehr, auf der anderen Seite wünschte er den deutschen Besuchern nur einen Funken von Giannas heißer Gottesglut und inständigem Glauben. Mit dem gleichen Glauben überwältigte sie ihn jetzt, nun war es an ihm, sich zu bekreuzigen, aber er sagte nur:
    Der Herr ist mit dir, liebe Frau, kann ich Ihnen helfen?
    Während er flüsterte, hörte man besonders die S-Laute, die weithin durch die dämmerige Stille von Kerzengold zischten und das Flüstern sehr unheimlich machten.
    - Worum geht es?
    Oh Padre, oh Padre – ich bin verfolgte!
    Der Pater beugte sich vor. – Was sind sie?
    Ich bin verfolgte! Von eine Seele, das finde keine Friede!
    Eine Seele? Was für ein Seele? Haben Sie persönliche Feinde?
    Seine Ärmel waren lang und bedeckten seine Hände bis an die Fingerknöchel, die weiße Kordel schlang sich lose um die braun gewandeten Hüften und die Kapuze hatte er halb über den Kopf gezogen, vielleicht war ihm kalt. Sein Bart war weiß und grau und seine Augenbrauen schoben sich besorgt zusammen.
    Aber nein, Padre, abe ich keine Feinde, außer Schwiegermutter, aber diese Seele iste kein Mann und kein Frau, oh Padre, ist nicht mal eine Mensch! Oh, Padre, kennte Sie nich komme und das Ding verjage? Das Ding ist nicht von diese Welt. Abe ich gebetet allein, aber ilfte nicht. Musse den Weg in de Himmel finde!
    Der Pater schwieg, schüttelte leicht den Kopf. Er traute seinen Ohren nicht, aber es war wichtig, niemand vor den Kopf zu stoßen.
    Wo, äm, … wo befindet sich denn … das Wesen?
    Iste ein Gespenst, ich schwöre, iste in de Kleiderkammer von de Pflegeheim, wo ich arbeit. Lüg ich nicht, Padre, schaust du mich an, bin ich weiß wie die Wand do drü-be, guckst du, lüg ich nicht, ich schwöre bei die Bibel, do iste Gespenste, fliegte in und er, ich kann sehen, auch die Schwester Rosalinde atte schon gesehe … das Gespenste erschreckte alle Leut, aber geht nich weg – abe ich gesagt: Du arme Seele, in Gottes Namen, was willste du? Was? Ich kann nicht elfe, ich will für dich bete, aber was du willst von mir, was??
    Gianna rang die Händen und rollte die Augen.
    Der Pater Ludolfus sah sie komisch an. Ein Gespenst also. Ein Gespenst in einer Kleiderkammer, das die Pfleger erschreckte. Er wollte den Kopf schütteln und verkniff es sich dann.
    Wie heißen Sie?
    Bin

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