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Die letzten Dinge - Roman

Die letzten Dinge - Roman

Titel: Die letzten Dinge - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Wand, einem teuren Büffetschrank und Puppen auf dem Sofa. Jewgeni Schiwrin. Seinetwegen war sie gekommen. Und seine letzte Heimstatt war nicht schön. Wieso nannte man das überhaupt ein Heim? In diesem Haus waren doch alle heimatlos. Und es war nicht die Herberge zur sechsten Glückseligkeit.
    Uljana sah in ihre Tasche, öffnete verstohlen den Henkelmann darin und sah die weißlichen zusammengekneteten Pilmeni darin wie Maultaschen aneinander kleben. Sie dufteten ihr entgegen. Man brachte einem Mann nichts Süßes mit und auch keine Blumen. Man brachte etwas, das kräftigt. Hühnersuppe. Pilmeni. Maupe, in Dampf gekocht. Aber war es richtig, dass sie, Uljana, ihm etwas derart Nettes mitbrachte? Dann fühlte er sich doch nur wieder überlegen, womöglich würde er glauben, sie habe ihm verziehen, das hatte sie aber nicht. Nur weil er krank war, hatte sie ihm das Pilmeni gekocht. Damit er mal etwas Russisches essen konnte. Vielleicht hatte er ja auch schon den Verstand verloren. Dann konnte sie ihm zu essen geben, was sie wollte. Vielleicht sollte sie ihm eine Flasche Wein bringen. Die konnte er trinken oder nicht, sie musste ja keinen teuren Wein nehmen. Nur, dass die Schwestern sahen, sie hatte etwas dabei. Also hatte sie beides eingepackt, die Flasche Wein und den Henkelmann mit den Pilmeni tief unten in der Einkaufstasche. Störrisch betrachtete sie sich in dem Schaufenster mit Sanitäranlagen. Sollte sie wirklich? Sollte sie hingehen? Etwas in ihr blieb festgebacken und festgefroren und rührte sich nicht. Es war zu Kreuze kriechen. Natürlich. Auf der anderen Seite … auf der anderen Seite musste sie sich ja auch darum kümmern, ob da nicht, … ob da nicht noch was für sie … übrig war, ob ihr nicht noch was zustand. Schließlich hatten sie sich nicht scheiden lassen. Nie. Sie waren auseinander gelaufen wie zerstrittene Hunde. Von russischen Fernfahrern hatte sie hören müssen, wo er zum Schluss gewohnt hatte. Und da tat sie so, als hätte sie das alles nicht interessiert. Jewgeni Schiwrin, der krumme Hund, den ihr das Schicksal an das Bein gebunden hatte. Sie durfte gar nicht daran denken. Aber was, wenn Schiwrin sein Leben lang fleißig gespart hatte? Da musste man sich doch mal kümmern.
    Ein Angestellter aus dem Sanitätsfachgeschäft lugte ins Schaufenster und sah nach, warum sie wohl seit zwanzig Minuten in das Schaufenster mit Toilettenschüsseln und Wascharmaturen starrte. Da gab sie sich einen Ruck, drehte sich stolz auf dem Absatz herum und stapfte los, hob die Füße und ging endlich hinunter zum Seniorenheim Abendrot.
    Ihn zu verlassen, war tausendmal leichter gewesen als ihn nun noch einmal zu besuchen.

Kurtacker?   Herr Kurtacker?
    So konnte doch kein Mensch leben. Eingesperrt in seiner Höhle, einer dunklen, miefigen, allzu warmen, von harter Rockmusik durchdröhnten Höhle. Lotta schielte durch das Schlüsselloch.
    Es war sehr gut, sich mit anderen Menschen zu beschäftigen, denn wenn es jemandem elend ging, dann merkte man nicht, dass man selber beispielsweise frustriert war. Weil man etwa eine ganze Nacht lang einen bezaubernden Mann mit einem großen Mund im Bett liegen hatte und gar nichts machen durfte. Und nur sinnlos auf der Isomatte daneben liegen konnte.
    Ach, egal wie es ihr ging, dem Kurtacker ging es noch viel schlechter, viel, viel schlechter. Und plötzlich und unversehens entbrannte in Lotta eine heftige Liebe zum schmutzigen, unanständigen Kurtacker. Man musste ihm doch helfen können, irgendwie.
    Früher hatte man ihn in den Speisesaal gefahren, aber er hatte die Mitbewohner beschimpft und mit Schüsseln um sich geworfen. Zur Sitzgymnastik ging er nicht, nicht zum Kartenspiel, nicht zur Musik, zum Blumenstecken erst recht nicht, er ging nicht mit auf die Ausflüge, er wollte einfach nichts und noch mal nichts. Nur den ganzen Tag da sitzen und Black Sabbath hören. Death Row. Accept. AC/DC. Und manchmal mittendrin Alexandra: Zigeunerjunge, Sehnsucht und – Mein Freund der Baum.
    Beherzt öffnete Lotta die Tür. Sie wusste ja inzwischen: nur nicht in Wurfrichtung stehen.
    Tach, Herr Kurtacker, ich wollte das Geschirr abräumen.
    Ja, ja, ja, murmelte er und hielt sich das halbe Gesicht zu. Seine Finger standen eigenartig steif nach oben, als seien sie aus Kaltschaum gefertigt, starr und weiß, Herr Kurtacker trug kein Hemd und fuhr im überwarmen Zimmer mit nacktem Oberkörper herum.
    Sagen Sie, darf ich mal das Fenster …
    Ein mörderisches Grollen erhob sich in

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