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Die letzten Dinge - Roman

Die letzten Dinge - Roman

Titel: Die letzten Dinge - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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ich Regiannini, Gianna.
    Und Sie glauben, ich soll mit Ihnen gehen … und eine Art … Exorzismus machen oder so?
    Vielleicht könnte Sie mal gucke und mit de Gespenst rede und sage – soll heimgehe! Auf mich örte nicht! Ich kann so nicht arbeite, ich ab Angst, ich kann net schlafe, mein Mann sagt: Wie siehst du aus! Dann ich sage, das ist der Schreck, ich bin vielleicht verrückt, aber ich habe gesehe, ich schwöre bei de heilige Maria und bei alle Eilige, wo ich kenn!
    Und als Ludolfus sah, wie sie mit beiden Händen ihren Rosenkranz umklammerte und die kleine Muttergottes und dann den darunter hängenden Jesus inniglich küsste, da dachte er: Es gab so manches zwischen Himmel und Erde … Als er in Brasilien auf der Missionsstation gearbeitet hatte, waren übernatürliche Dinge ganz alltäglich gewesen. Aber trotzdem. Es war besser, sich in solchen Humbug nicht hineinziehen zu lassen. Er wollte ihr sagen, sie solle mal Urlaub machen und viel an die frische Luft gehen …
    Aber dann sah Gianna ihn so flehentlich an, dass er sie nicht einfach so wegschicken konnte. Er überlegte. Vielleicht sollte er doch einmal mit ihr gehen. Sich den Ort des Schreckens ansehen. Vielleicht könnte er sich einige passende Gebete heraussuchen, für alle Fälle. Er konnte sie leise beten. Oder lateinisch. Etwas Weihwasser mitnehmen, den Ort segnen. Das ging auch. Wenn überhaupt dort irgendetwas anderes wahrzunehmen war außer den Phantasien einer überarbeiteten Pflegerin. Pflegeheim Abendrot. Das wollte er sich schon immer mal ansehen. Die Pfleger dort riefen die Geistlichen viel zu selten. Die Alten fürchteten die Mönche und Priester. Bei ihrem Anblick fühlten sie sich schon gleich tot. Nur einige wenige karrten tapfer ihre Gehwagen in den Gottesdienst am Sonntag und am Mittwoch. Wer weiß, wie es den Menschen ging im Heim? Er schürzte die Ärmel höher, nahm Giannas Hände in die seinen, betete leise und flüsternd einige unverständliche Worte und malte ihr dann mit dem Daumen ein kleines Kreuz auf die Stirn.
    Der Herr sei mit dir. Gelobt sei Jesus Christus.
    Amen. Amen Padre … und – danke! Danke von Herzen! Danke, dass mir zugehört habe! Ich danke sehr, sehr, Gott schütze all ihre Kinder, … oh nein, Verzeihung, Sie bestimmt habe keine Kinder – wann komme?
    Morgen Nachmittag? Ist das recht?
    Si! Si, Padre, oh Padre, wie gut von Ihne! Ich werde noch mehr bete für arme Leut und gebe was für die Kirche zum neu anmale!
    Sie verbeugte sich noch mehrere Male, warf einige Münzen in den Opferstock und lief mit ihren drallen Waden schnell davon. Die Spätschicht im Heim hatte schon begonnen. Der Geruch von Weihrauch, Blumen und Kerzenduft aber umschwirrte sie noch eine ganze Weile den absteigenden Weg hinunter und tat ihr wohl. In drei Wochen begann ihr Urlaub. Sie hatte sich vorgenommen, das Gespenst noch vor dem Urlaub zu vertreiben, denn sonst hatte sie keine keine Ruhe. Das war irgendwie ihre Aufgabe. Egal wie lange das Gespenst hier herumspukte.
    Es brauchte jetzt endlich seinen ewigen Frieden. Basta.

Eine neue Mütze  . Eine steife, naturweiße Mütze mit feinen Wollfädchen wie ein durchsichtiger Flaum. Ein Winter ohne Kopfbedeckung, das konnte sie nicht aushalten, auch wenn die Winter hier nichts waren, einfach nichts. Als Uljana Schiwrin jung gewesen war, hatten sie bei minus 40 Grad im Winter gefroren und Wodka in der Nacht getrunken. Eine Mütze musste immer dabei sein, beinahe das ganze Jahr. Uljana betrachtete sich in einem Schaufenster, eine feine Mütze war das, stand ihr gut, denn sie hatte immer noch schwarzes Haar, das die Stirn und das weiße Gesicht umrahmte. Es war, als sei ihr Gesicht in einem ewigen Schrecken stehen geblieben, als wollte keine Farbe, kein Leben hinein. Früher hatte sie sich die Wangen rot gemalt. Aber heute? Und natürlich war ihr Gesicht starr vor Schreck. Starr vor Angst, dieses Pflegeheim zu betreten. Dreimal war sie schon vorbeigelaufen, hatte die große Sonnenblume über der Tür betrachtet, die Pflanzenkübel, die riesigen Fenster. Es war nicht gut, wenn ein Haus so große Fenster hatte, dann fühlten sich die Menschen darin nicht beschützt. Uljana mochte kleine Fenster, durch die nicht viel von der Welt ins Zimmer drang. Die Welt, was hatte sie ihr schon gegeben, diese Städte, diese Straßen, diese Häuser, sie wollte am liebsten auf dem Absatz kehrtmachen und wieder gehen. Fliehen in die kleine Höhle, die sie sich hübsch gemacht hatte mit guten Teppichen an der

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