Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die letzten Dinge - Roman

Die letzten Dinge - Roman

Titel: Die letzten Dinge - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
Vom Netzwerk:
Bluse um Bluse, Hemden, Kleider, Westen, alles schien so beieinander zu liegen, als hätte es immer schon so gelegen. Immer, ewig. Als dürfte dieses Bild von nichts und niemandem gestört werden, als hätte man es eben so gemalt. Ein Stillleben. Das war es. Eine ewige Stille.
    Kaum ein Hauch wehte durch das Zimmer. Der Pater und Gianna blickten in die unbewegliche Welt, spürten dem Hauch nach, es konnte der eigene Hauch gewesen sein, der sie begleitete, und nun zu ihnen zurückgekehrt war, war es ein Hauch? War es das? Sie standen da und nichts, nichts erschien, man musste warten, man musste hoffen …
    Bitte, Padre, zog Gianna den Pater am Ärmel, bitte … müsse glaube, ich bitte! Ier ist es gewese …
    Der Pater legte beruhigend den Arm um Gianna und sagte charmant:
    Nun, ein Gespenst hat keinen Terminkalender, es hat ja gar nicht gewusst, dass wir kommen und warten, es hat ja seine eigenen Zeiten. Man spürt aber schon, dass es mit dem Raum eine Bewandtnis hat, er hat wirklich eine eigene Stimmung sozusagen, … ich glaube Ihnen, Gianna, doch, ich glaube Ihnen.
    Gianna sah ihn ängstlich an, was Pater Ludolfus sagte, war sehr nett von ihm, aber lieber wäre es ihr gewesen, wenn ihm der weiße schwebende Fleck einfach mal kräftig durchs Gesicht gezogen wäre.
    Wir müssen ihm Zeit geben, sagte Ludolfus.
    Nein!, rief Gianna und machte sich vom Pater los. -Wir abe keine Zeit! Ier wir abe nie Zeit! Musse schnell gehe, kennte nicht arme Padre warte lasse. Öre! Feine Dame! Örst du mich, arme Seele, aste so oft erschreckte mich und andere, wir sinde gekomme um dir zu elfe! Kommst du her, wir sinde da!
    Und eine weitere Stille legte sich auf sie, die Stimmung im Raum wurde dichter und dichter und es schien, als würde das Zimmer dunkler und dunkler, als verändere sich etwas unaufhörlich, der Pater schloss die Augen und begann leise zu beten. Er betete und betete und Gianna fiel vom Beten ins Schweigen und vom Schweigen ins Hoffen und vom Hoffen ins Beten. Es musste etwas kommen, es musste, es musste! Ein Windhauch. Ein Windhauch! Ein Vorbote. Ein Schweben ging durch den Raum. Es war Einbildung. Sie hörten es. Sie glaubten, es nicht zu hören. Sie hörten es durch die Stille. Sie fühlten es. Eine physische Existenz.
    Macke die Auge auf …!, flüsterte Gianna. – Macke auf, sonste Sie sehe nichts!
    Ich … ähm … der Pater konnte die Augen nicht öffnen, Gianna aber zerrte ihn so sehr am Ärmel, dass er zu sich kam und seine Augen aufriss … und da sah er es. Er sah es mit eigenen Augen, sah, dass eine Luft zusammenströmte, weiß wurde, ein deutlich weißeres Etwas sich verdichtete, wie selbstverständlich, wie der Rauch einer Zigarette, wie der Hauch an einem eisigen Tag, es war durchsichtig, es war ein Ball, eine Wolke, ein schwebendes Etwas …
    Um … Gottes Willen … stammelte Ludolfus.
    Ich abe gesagt, Padre, – ich abe gesagt, da, Sie sehe selbst … Gianna war so glücklich wie noch nie, … danke, danke, dass du bist gekomme, ich danke schöne Frau …
    Woher wissen Sie, dass es eine Frau ist?, flüsterte der Padre und seine Knie waren weich und sein Gesicht war käseweiß, der Gedanke, dass sich ein Ding vor seiner Nase bemerkbar machte, das er nicht einmal in Gebeten und Meditationen erblickt hatte, fesselte ihn, ängstigte ihn, berauschte ihn …
    Gott im Himmel, es gibt Dinge zwischen Himmel und Erde … und er starrte hypnotisiert in die weißliche Wolke … Es bewegt sich … es … es fliegt oder was!
    Gianna war wie erlöst. Sie überkreuzte die Arme vor dem Busen und war voller Stolz. – Aab ich nicht gesagte. Da ist! Kennte selber sehe, Padre. Da iste und erschreckete alle Leute.
    Der Pater ging auf die Knie.
    Es … es ist! Wie in Brasilien … damals bei Rebecca … es geschieht … Wir wollen Stillschweigen bewahren, Gianna, Stillschweigen! Es darf niemand wissen. Ich will mich selbst der Sache annehmen.
    Und zum ersten Mal in seinem Leben wusste er die rechten Gebete nicht, wollte dieses Wesen nicht einfach so austreiben. Er wollte es noch anschauen, mit ihm gemeinsam beten, erfahren, was es wollte. Was wollte dieser schöne Flecken, von dem Gianna sagte, es sei eine Frau, eine Frau, eine verlorene Frau zwischen Himmel und Hölle? Der Padre war zutiefst ergriffen.
    Sack Zement, flüsterte er. Gianna wurde übermütig. -Ich abe gesagt! Ich abe nicht gelogen! Ich luge nie!!
    Einen Schnaps. Einen Schnaps muss ich trinken.
    Aber der Pater hatte keinen Schnaps dabei, nur

Weitere Kostenlose Bücher