Die letzten Dinge - Roman
das?
Schönen guten Abend, sagte das Sotzbacher Mädchen. – Wenn ich mich vorstellen darf? Ich bin das älteste Sotzbacher Mädchen und ich habe bei der Rundschau gearbeitet.
Oh, sehr angenehm, sagte die Dame. – Mein Name ist Kolchewski, Frau Dr. Kolchewski, mein Spezialgebiet ist die Astrophysik.
Oh, das ist aber mal interessant.
Sind wir uns irgendwie bekannt?
Ich weiß nicht, aber wir können ja ein wenig plaudern.
Oh, das wäre mir sehr angenehm, wir können ein wenig auf und ab gehen und dabei plaudern. Wie war noch mal ihr Name?
Siefert und ich bin das älteste Sotzbacher Mädchen und ich bin hier geboren, hier im Haus. Wie heißen Sie noch mal?
Kolchewski. Frau Dr. Kolchewski. Mein Spezialgebiet ist die Astrophysik.
Oh, das ist aber mal interessant. Ich war bei der Rundschau.
Oh, das ist auch allemal interessant.
Und wie jeden Abend und jeden Abend begrüßten Frau Kolchewski und das Sotzbacher Mädchen einander, stellten sich vor und wanderten dann gemeinsam die Gänge entlang auf und ab und auf und ab und von Zeit zu Zeit stellten sie sich wieder vor, beschwerten sich über das Essen, freuten sich auf gutes Wetter, schilderten sich ihre Krankheiten und wurden dabei immer vornehmer.
Man muss es nehmen, wie es kommt, sagte Frau Dr. Kolchewski. Denn wir können es ja auch nicht ändern.
Und man muss auch jeden Menschen immer so nehmen, wie er ist, sagte das Sotzbacher Mädchen. Der eine ist so, der andere ist so. Ich bin immer mit jedem sehr gut zurechtgekommen.
Das liegt gewiss an Ihrer sehr freundlichen Art.
Da haben Sie Recht, sagte das Sotzbacher Mädchen und hob den Kopf ein wenig höher. – Ich bin immer sehr freundlich gewesen – zu jedermann. Und deshalb kann mich auch jeder leiden.
Ja. Nun ja. Aber mit jedem kann man nicht auskommen.
Nein – man muss auch mal sagen: bis hierher und nicht weiter!
Man muss sich wehren!
Oh ja, man darf sich nichts gefallen lassen!
Aber man muss immer aufpassen, WAS man sagt.
Und wo man es sagt.
Und bei wem.
Ja ja. Sonst hat man nur Scherereien.
Man muss sich ja auch nicht überall einmischen.
Nein! Ich persönlich … also, wenn mich was nichts angeht – da halte ich mich raus.
Wie war noch mal Ihr Name?
Mein Name ist Siefert und ich bin das älteste Sotzbacher Mädchen und ich bin hier geboren, hier in dem Haus und ich hab fünf Kinderchen geboren und ich habe bei der Frankfurter Rundschau gearbeitet und ich habe noch mal Englisch gelernt.
Oh. Sehen Sie mal an. Na ja. Man muss alles nehmen, wie es kommt. Wir können es ja doch nicht ändern.
So ist es. Und man muss jeden nehmen, wie er ist, der eine ist so und der andere ist so.
Da haben Sie Recht.
Grundig, Philips , Aiwar, Toshiba, meine Güte. Fernseher um Fernseher eine ganze Wand entlang flimmerte vor Lottas Augen. Die Verkäufer hatten nachtblaue Westen an, die mit Sternen übersät waren. Aber sie hatten keine Zeit zum Bedienen. Wie gut, dass der Laden bis neunzehn Uhr geöffnet hatte.
Ich weiß nicht, welchen ich nehmen soll.
Also ich würde keine No-Name Marke nehmen, sagte ihr Bruder. – Wenn du mal was hast, ist es mit Garantie und Service einfach besser. Da steht schon eine Qualität dahinter.
Ich könnte ja auch warten, bis ein Fernseher bei Aldi kommt. Das ist doch das Beste.
Ich glaube, du spinnst, sagte Sebastian. Meinst du, ich komme extra hierher und bringe das Auto mit und alles, damit du sagst, ach nee, ich kaufe einen bei Aldi und kannst du dann kommen und mir helfen …?
Lotta seufzte. Ihr erstes Gehalt. Und endlich einen hübschen Fernseher unter dem Dach. Der alte, den Sebastian ihr geliehen hatte, war so klein gewesen und taugte nicht mehr viel, hatte keine Fernbedienung und keinen Videotext und war eigentlich nur für den Campingwagen gut. Lotta liebte es, abends fernzusehen, die schönen bunten Farben, die andere Welt, die ganze Welt. Wenn die Tage so farblos waren in bleichem Weiß mit bleichen Menschen, dann konnte sie hier einen farbenprächtigen Tango sehen im leidenschaftlichen Spanien oder so, Cancan und Indianer, afrikanische Geschichten – und Liebesfilme. Das vor allem. Lotta liebte Filme mit Richard Gere und Julia Roberts. Oder Tom Hanks und Meg Ryan. Dazu einen Vanillequark mit Frischkäse von Exquisa. Und Ricecrackers. Und eine in Stücke geschnittene Ananas. Vielleicht nebenbei auf dem kolossal praktischen Patientennachttisch noch ein Puzzle mit Landschaften in 500 Teilen. Das war das Paradies auf Erden. Das wunderbare Ende nach einem
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