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Die letzten Dinge - Roman

Die letzten Dinge - Roman

Titel: Die letzten Dinge - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Herausforderung. Sie hatte einen Knochensplitter vom heiligen Laurentius in einer Samtschatulle mitgebracht, denn die verlorenen Seelen gehörten eindeutig in sein Zuständigkeitsgebiet. Der arme San Lorenzo! Auf einem Feuer hatte man ihn gegrillt, im alten Rom, irgendwann nach Christus. Und seither war er zuständig für das Fegefeuer, für die armen Seelen, damit sie nicht im Fegefeuer landeten. Er half auch bei Rheuma und Hexenschuss. Donna Lucia war sehr stolz auf den kleinen Splitter aus der Asche. Wenn das nicht half, dann konnte sie es auch nicht ändern.
    Endlich – da kamen sie. Pater Ludolfus und Gianna! Er eilte auf sie zu und begrüßte sie.
    Gianna hat mir von Ihren Gaben erzählt. Gut – ich bin sehr gespannt! Dann wollen wir uns mal an den Ort des Geschehens begeben, aber sagen Sie mir, was ich tun soll!
    Aber Padre! Sie sinde eilige Mann! SIE misse sage!
    Tja, Frau Rossini, ich bin Pater, ich kann beten. Aber Gianna sagte, Sie könnten helfen, jenes unglückliche Wesen dahin zu schicken, wo sie hingehört.
    Vielleicht kann macke, vielleicht nichte.
    Sie liefen gemeinsam zum Pflegeheim Abendrot und steuerten den Personaleingang an. Niemand begegnete ihnen und der Weg führte direkt zum Dachboden und in die Kleiderkammer, aber in diesem Treppenhaus gab es keinen Aufzug. Donna Lucia ächzte und stöhnte, Gianna hatte Malheur mit dem Knie und der Pater musste geduldig warten.
    Kommt hier auch niemand, während wir uns da mit übernatürlichen Erscheinungen plagen?
    Ier obe keine kommte, sagte Gianna.
    In Wahrheit war der Pater gespannt, sehr gespannt, ob nun das seltsame Ereignis wiederkam oder ob es sich im Nachhinein als Einbildung entpuppte. Schließlich waren sie oben, atmeten noch mal ganz langsam, um sich zu beruhigen, dann öffnete Gianna die Tür.
    Still und ruhig lag die Kleiderkammer unter der Dachschräge und offenbarte den Tisch mit der Nähmaschine, Lämpchen und Schere, dann sah man durch den halb offenen Vorhang an der Wand die ordentlichen Stapel von Kleidern der Verstorbenen. Hübsch gewaschen und gestapelt, ausgebessert und geflickt, harrten sie dort ihrer weiteren Verwendung, würden vielleicht für immer dort liegen bleiben und nichts würde die Stille des Raumes jemals stören.
    Der Pater hatte für alle Fälle einen Flachmann dabei.
    Das kann jetzt dauern, sagte er. Wollte den Stuhl vor der Nähmaschine nehmen und sich darauf setzen. Da hielt ihn Donna Lucia am Ärmel fest.
    Nix bewege, Padre. Macke nix.
    Sie schloss die Augen und rührte sich nicht, aber es schien, als falle ihr Körper in eine kaum wahrnehmbare Vibration. Sie schnaufte und schnaufte und ihre Lider zitterten. Gianna bekreuzigte sich und der Pater tastete nach seiner Kordel.
    Tante Lucia – trompetete Gianna – iste was gekomme?
    Still!, rief Donna Lucia. – Sschsch. Kann ich … kann ich merke, iste was … iste was in Raum …
    Ludolfus war in Versuchung, das Zimmer mit Weihwasser auszusprengen. Aber dann ließ er es und schielte nur aus den Augenwinkeln, ob sich irgendwo etwas verdichtete, so wie beim letzten Mal, ob eine Präsenz spürbar wurde, das wehende Etwas, das ihn zu Tode erschreckt und gleichzeitig fasziniert hatte.
    Schsch – machte Donna Lucia zum zweiten Mal. Sie streckte beschwörend die Hände aus, nickte auf einmal. Dann herrschte sie den Padre an: – Padre – bete! Fange an: bete zu San Lorenzo!!
    Was? Zum heiligen Laurentius?
    Donna Lucia fischte in ihrer Handtasche ungeduldig nach der eingewickelten Knochensplitterschatulle und drückte sie ihm in die Hand.
    Dem heiligen Laurentius von Rom?
    Si. Hilft arme Seele, damit nicht kommte in Ölle.
    Der Pater überlegte, der heilige Laurentius … Nachfolger von Sixtus II. Märtyrertod im Jahre zweihundertsovielunddreißig.
    Ier, Knoche, bete Padre, bete!
    Ludolfus wäre es lieber gewesen, das Gespenst hätte sich jetzt gezeigt und er hätte nichts zu tun brauchen. Musste man nicht eigentlich um Mitternacht kommen?
    Heiliger Laurentius von Rom … bete für uns …
    Bete lateinisch, dann arme Seele atte mehr Augste.
    Kannst du was sehe?, rief Gianna.
    Ich kennte, kennte … warte. Iste … ein … ist sich ein Dame … ein Frau … ist sich … nicht mehr so junge …
    Der Padre bewegte die Lippen und tat, als ob er bete: Benedicamus Domino. A Deo gratias … alles, was ihm einfiel. Aber tatsächlich lauschte er nur den Worten von Donna Lucia.
    Oh … iste gute Seele. Iste da. Atte verlore de richtige Weg. Kann fühle de arme Seele.
    Gianna

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