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Die letzten Dinge - Roman

Die letzten Dinge - Roman

Titel: Die letzten Dinge - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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herumgesprochen, dass er ständig irgendwelche schweinischen Filme herumliegen hatte, und so hatten sich alle inzwischen daran gewöhnt, man traf sich bei Kevin und schaute sich die Dinger an, bevor er sie Herrn Kurtacker überreichte. Kevin langweilten die Pornos inzwischen. Aber wenn die Kumpels kamen, war es immer sehr lustig.
    Dabei sehnte er sich selbst nach einer Freundin. Die Kleine aus der Apotheke, die immer die Medikamente brachte, die gefiel ihm. Oder jene hübsche, dunkelhäutige Schwester von Station zwei. Er traute sich nicht, sie anzusprechen, jedenfalls nicht, solange er so fertig aussah. Die rötlichen Haare zu lang, weiße Haut und zu mager. Er sollte auch einmal seine Muskeln trainieren, so wie Ivy. Er sollte ins Sonnenstudio gehen. Zum Friseur. Aber alles, alles kostete Geld. Vom Hähnchenstand herüber duftete es appetitlich. Aber ein halbes Hähnchen kostete schon 2,50 Euro. Eine Schachtel Zigaretten 4 Euro. – Du stinkst nach Rauch, hatte das Sotzbacher Mädchen gesagt und Kevin hatte gelacht. – Rauch nicht so viel, meinten Frau Wilhelm und Rosalinde und Nadjeschda. Aber er konnte es einfach nicht lassen. Der Bus kam immer noch nicht und Kevin sah Herrn Wickert mit dem Dornkaat auf seinen dicken Füßen umherstapfen. Seine Hose wies einen unvorteilhaften Kranz am Hinterteil auf. Herr Wickert: die Visitenkarte des Hauses. Kevin sah nicht hin.
    Sollte er ein halbes Hähnchen essen? Oder Zigaretten holen? Wenn er nur ein wenig mehr verdienen würde, dann könnte er sich beides leisten: Hähnchen und Zigaretten. Er solle doch die Ausbildung machen, er solle doch auf die Schule gehen und Altenpfleger lernen, so lag ihm die Pflegedienstleitung dauernd in den Ohren. Sie brauchten dringend examinierte Kräfte. Aber dann hätte er während der Ausbildung noch weniger Geld und das traute er sich nicht.
    Kevin gähnte. Musste er denn wirklich noch in die Videothek gehen? Alles langweilte ihn. Kesse Hostessen? Langweilig. Hobbyhuren auf der Flucht? Albern. Aber es gab ja noch mehr: Tabulose Fickweiber aus aller Welt. Oder: Versaute Luder, nasse Lustweiber, rattenscharfe Nutten. Franzi, Nadine und der Superpimmel. Süße Muschis, wundgefickt.
    Kevin stöhnte. Der Videothekenbesitzer musste ihn ja schon für einen Triebtäter halten. Dabei tat er das alles nur für den Kurtacker. Er musste dem Kurtacker sagen: Nee, jetzt ist Schluss. Ich kann keine dicken Titten mehr sehen. Du kannst dir selber was bestellen, im Fernsehen. Oder so.
    Er musste sich durchsetzen. Alle schickten ihn dauernd zum Einkaufen. Frau Wilhelm wollte Apfelsinen und Sauerkirschen aus dem Glas. Herr Grimm brauchte ständig Zigaretten. Und Kevin konnte nicht nein sagen – allerdings gaben sie ihm auch hin und wieder zwei, drei, Euro. Das war dann wieder eine Schachtel für ihn. Trotzdem hatte er allmählich genug. Die Einkauferei dauerte zu lange und die Zeit fehlte ihm bei der Pflege. Und mit Kurtacker war jetzt auch Ende Gelände. Kevin wollte einfach keine Videos mehr mitbringen und wenn seine Kumpels kamen, dann konnten sie ebenso in die Kneipe gehen oder sonstwo hin. Der Bus kam und hielt an. Kevin stand auf und schleppte sich zur Fahrertüre. Noch sechs Tage Dienst am Stück. Das hielt er nicht aus, das hielt er keinesfalls aus, er hatte keine Kraft mehr, er war nur ein dünnes Hemd, das hatten sie ihm immer wieder gesagt: Du dünnes Hemd, was du bist.
    Aber dann tat es ihm doch wieder leid um den Kurtacker und bevor er nach Hause ging, machte er einen Schlenker um die Häuserecke, betrat gegen seinen Willen die Videothek und lieh endlich mit gesenktem Kopf das Video: Der obergeile Pornoguru.

Das älteste Sotzbacher Mädchen   kam dahergewackelt und betrachtete von weitem verdutzt den Leichenbestatter, der mit dem geschlossenen Sarg vor dem Fahrstuhl wartete. Schließlich kam sie näher, nahm ihren Stock und klopfte einige Male auf den Deckel.
    Ist do einer drin?
    Ja ja, so ist es, sagte der grau gekleidete Fachangestellte und fischte eine bereits zerknitterte Zigarette aus der ebenfalls zerknitterten Hose.
    Oh je oh je. Das Sotzbacher Mädchen schüttelte bedauernd den Kopf.
    Na ja, irgendwann ist für jeden mal Schluss. Wer weiß, wie wir mal umkommen. Aber Sie verdienen ja wenigstens noch was damit. So ist das. Dem einen sein Tod ist dem anderen sein Brot.
    Ja, und man kann es nicht ändern, sagte der Leichenbestatter und dann wurde er von einem derartigen Grollen und Husten geschüttelt, dass er beinahe neben den Sarg

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