Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die letzten Gerechten: Roman (German Edition)

Die letzten Gerechten: Roman (German Edition)

Titel: Die letzten Gerechten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Hoffman
Vom Netzwerk:
immer, Armbrustschützen könnten Bogenschützen leichter ersetzen, weil Bogenschützen Jahre brauchten, bis sie gut ausgebildet waren. Mit der Armbrust ließen sich dieselben, oft sogar besseren Ergebnisse in wenigen Monaten erreichen. Und deshalb ließ Cale seine Purgatoren siebzig Schritt von der Kuppe des Pillenhügels entfernt absitzen, stellte sich hinter seine Leute– tatsächlich sogar ein gutes Stück von ihnen entfernt– und befahl ihnen, die Armbrüste zu spannen und die Lakonier nacheinander abzuschießen. Später erfuhr Henri von einem der Purgatoren, dass ein Kamerad den Befehl kritisiert habe, weil dadurch Van Owens Männer in Gefahr gerieten, getroffen zu werden. Cale habe ihm eine so kräftige Ohrfeige gegeben, dass seine Nase aufgeplatzt sei »wie eine reife Pflaume«.
    Welchen Schaden auch immer Van Owens Schutztrupp erleiden mochte, für die Lakonier jedenfalls war die Wirkung verheerend. Schon nach einer Minute war die Hälfte der roten Söldner gefallen. Die übrigen hatten keine andere Wahl, als sich umzudrehen und nun Cale und die Purgatoren anzugreifen. Aber mit den Soldaten des Schutztrupps im Rücken konnte es für sie nur noch darum gehen zu entscheiden, von welcher Seite sie besiegt werden wollten. Sie jagten den Hügel hinab, selbst aus Henris Entfernung ein Furcht erregender Anblick, und griffen die Purgatoren frontal an, wobei sie nur drei weitere Männer einbüßten. Es folgte ein grauenhafter Nahkampf, der für die Purgatoren beinahe katastrophal ausgegangen wäre. Denn Van Owens Schutztrupp setzte den Lakoniern nicht etwa nach, um sie vor die unlösbare Aufgabe zu stellen, nach vorn und hinten gleichzeitig kämpfen zu müssen, sondern sie blieben einfach auf dem Hügel stehen und verfolgten das Schauspiel, wie ihre Retter in einen verzweifelten Kampf um Leben oder Tod verwickelt wurden. Obwohl die Lakonier jetzt nur noch über halb so viele Soldaten wie die Purgatoren verfügten, trugen sie Rüstungen, außerdem griffen sie hügelabwärts an, was für ihre Kampfweise geradezu ideal war. Die Purgatoren hingegen trugen keine Rüstungen und gerieten nun in arge Bedrängnis, zumal erst jetzt klar wurde, dass Van Owens Schutztrupp auch weiterhin nicht die geringste Absicht hatte, die Lakonier zu verfolgen, wie ihm der gesunde Menschenverstand eigentlich hätte sagen müssen, sondern einfach abwartete und die Sache beobachtete. Cale formte die Hände zu einem Trichter und brüllte: »Helft uns!« Aber die Wärter starrten nur vom Hügel auf ihre Retter hinunter, so passiv wie wiederkäuende Kühe. Cale stand etwa zehn Schritte hinter seinen Purgatoren und fluchte unbändig, als seine Leute angegriffen wurden. Schließlich wurde ihm klar, dass Van Owens Schutztruppe nicht etwa nicht begriffen hatte, dass sie dringend gebraucht wurden, sondern dass man ihnen bewusst befohlen hatte, nicht einzugreifen. »Warum?«, dachte Cale. »Es wäre doch nur vernünftig, uns zu helfen?« Aber wenn ein Befehlshaber an Märtyrertum und Selbstopferung glaubt, ist es vor allem entscheidend, dass er überlebt– im Interesse des Gemeinwohls. Und so marschierten denn auch Van Owen und seine Wache auf der anderen Hügelseite hinunter und machten sich auf den Rückweg zu den Golanhöhen. Wäre Cale Vague Henri oder Kleist gewesen, hätte er in sicherer Entfernung Stellung bezogen und die Lakonier nacheinander mit Bogen oder Armbrust abgeschossen. Aber so blieb ihm keine andere Wahl, als selbst in den Kampf einzugreifen. Brüllend vor Wut über seine eigene Dummheit, raste er zur ungeordneten linken Seite des Kampfes hinüber und fällte den ersten Lakonier von hinten mit einem Hieb knapp unterhalb des Helmes, der glatt durch den Nacken schnitt. Von links anzugreifen war immer vorteilhaft, und weil es normalerweise nicht so günstig war, wenn man das Gleichgewicht verlor, hob er das Bein dieses Mal nur knapp über den Boden und kickte dem nächsten Lakonier in die leicht verwundbare Kniekehle. Der Mann fiel um; sein Schmerzensschrei brach abrupt ab, als Cale ihn gegen den Kopf trat. Damit hatte Cale zwei Purgatoren aus ihrer harten Bedrängnis gerettet; er befahl ihnen, ihm zu folgen. Gemeinsam griffen sie die Lakonier an und versuchten, ihre Reihe von der Seite her aufzurollen.
    Jeder gerettete Purgator schloss sich ihnen an, sodass sie allmählich einen kleinen Stoßtrupp bildeten, der die äußere Flanke der Lakonier angriff. Am anderen Ende der Kampffront liefen die Dinge für die Purgatoren schlecht, da

Weitere Kostenlose Bücher