Die letzten Gerechten: Roman (German Edition)
Waffen durchführen, welche ein geringes Maß an Spezialwissen erforderten. So gab es eine befriedigende Zahl erfolgreich ausgeführter Morde mit dem Dolch, dem Kurzschwert und der kleinen Axt, aber auch die unvermeidlichen Fehlschläge, allerdings weniger, als er erwartet hatte. In zwei Fällen starb der falsche Erlösermönch oder die Wärter erwiesen sich als erfahrener als erwartet oder der Attentäter als weniger kompetent als erwartet. Aber für seine beiden Hauptziele, Gant und Parsi, hatte Gil natürlich seine allerbesten Männer abgestellt, und das waren Jonathon Brigade und er selbst. Welcher von diesen beiden die Sache besser durchzog, hängt davon ab, ob man es unter dem Gesichtspunkt von Einfallsreichtum und schneller Reaktionsfähigkeit bewertete oder aber im Hinblick auf das Geschick im Umgang mit Waffen und der Weigerung, irgendetwas dem Zufall zu überlassen.
Das Problem mit der Ermordung von Gant und Parsi bestand nicht darin, dass sie die Welt gewohnheitsmäßig mit Misstrauen beobachteten– schließlich war es undenkbar, dass Bosco die Morde überhaupt planen würde–, sondern dass sie sich durch ihre schiere Grandiosität und ihr ungeheures Selbstwertgefühl selbst von jedem anderen normalen Umgang isoliert hatten. Vom Heiligen Palast zur Basilika und zum Schrein und zum Palast zurück begaben sie sich nur in Kutschen, welche sie außer Sicht des gewöhnlichen Volkes und normaler Erlösermönche bestiegen oder verließen, eine durchaus bewusste Maßnahme, um ihren Status hervorzuheben. Dass es praktisch unmöglich war, sich ihnen zu nähern, wenn man sie ermorden wollte, hatte also seinen Grund in ihrer Eitelkeit und nicht etwa in ihrer Furcht, aber das spielte letztlich keine große Rolle.
Brigade hatte seinen Plan ausgearbeitet– aber wie ein echter Künstler, der ein gutes, aber kein großes Werk schuf, war ihm klar, dass es kein großartiger Plan war. Er persönlich mochte Einfachheit, Schnörkellosigkeit und eine möglichst kleine Zahl von Unwägbarkeiten– vor allem deshalb, weil dann weniger schieflaufen konnte, aber auch, weil ihm Schlichtheit mehr zusagte. Boscos einziger Sympathisant im Heiligen Besonderen, wie Gants Palast hieß, sorgte dafür, dass Brigade den Weg in einen Flur fand, den Gant benutzte, um zu seiner Privatkapelle zu gelangen, wo er nachmittags während der Kanonischen Stunde des Sext zu beten pflegte. Der Eingang zu diesem Flur führte durch eine nur fünf Fuß hohe Tür, die lästige Erfindung eines ein wenig bescheideneren Vorbesitzers. Die Tür war ganz bewusst so niedrig gestaltet worden, um jeden, der die Kapelle betreten wollte, zu zwingen, den Kopf ehrerbietig zu neigen. War Gant erst einmal durch die Tür, wollte Brigade sie hinter ihm schließen, verschließen, Gant umbringen und fliehen. Das schien einfach genug, war es aber nicht. Gant betete nämlich nicht zu jeder Sext in der Kapelle– auf Grund von häufigen morgendlichen Kopfschmerzen zog er sich manchmal, wenn auch nicht oft, in seine abgedunkelten Schlafgemächer zurück, um sich dort zu erholen. Man musste kein großer Bedenkenträger sein, um sich vorzustellen, dass er an einem so spannungsgeladenen Tag wie diesem allzu leicht einen Migräneanfall erleiden könnte. Außerdem stellte auch die Flucht ein Problem dar– die Kapelle befand sich mitten in dem riesenhaften Komplex, den der Palast des Heiligen Besonderen darstellte. Und letztendlich gab es auch noch das Problem, dass Brigade auf die Nervenstärke und Zuverlässigkeit des Verräters vertrauen musste, der ihn hinein- und auch wieder aus dem Palast herausgeleiten musste. So besorgt machten ihn diese Unwägbarkeiten, dass er sich zu der kaum weniger gefährlichen Strategie entschloss, einfach zum Palast zu gehen und auf eine günstige Gelegenheit zu warten. Den Plan in der letzten Sekunde zu ändern war etwas, wozu er sich noch nie gezwungen gesehen hatte, aber er wurde einfach dieses ungute Gefühl nicht los, dass sein ursprünglicher Plan zwar plausibel erschien, ihm aber eine Katastrophe bescheren könnte. Nach zehn Jahren Dienst als heiliger Attentäter hatte Brigade gelernt, sich niemals auf den eigenen Instinkt zu verlassen. Jetzt, nach fünfundzwanzig Jahren Dienst, hatte er gelernt, seinem Instinkt doch lieber wieder zu vertrauen. Vielleicht, dachte er, werde ich allmählich alt.
Mittlerweile waren die im Kongress der Sodalitäten Versammelten zwar nicht beunruhigt, wohl aber doch erstaunt über die Größe der Kongregation.
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