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Die letzten Gerechten: Roman (German Edition)

Die letzten Gerechten: Roman (German Edition)

Titel: Die letzten Gerechten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Hoffman
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Bosco hatte jahrelang hart gearbeitet, um diese Gruppe aufzubauen, und ebenso hart, ihre wahre Größe und die Identität vieler ihrer Mitglieder geheim zu halten. Es waren einige Männer anwesend, die keineswegs natürliche Verbündete darstellten, die glaubten, einer ganz anderen Verschwörung anzugehören, oder die überzeugt waren, überhaupt keiner Verschwörung anzugehören. Diese Unterschiede mussten miteinander versöhnt werden, aber eben nicht durch eine Übereinkunft. Er musste sich daher sowohl mit milden Reformern auseinandersetzen, welche über Boscos größeren Plan entsetzt gewesen wären, als auch mit unangenehmen Eiferern, die ehrgeizige Ziele verfolgten. Und das musste Bosco an diesem Nachmittag gelingen.
    Als nun Haldera in einem der beiden großen Treppenhäuser des Kongressgebäudes stand und zu Bosco im anderen Treppenhaus hinüberblickte, wirkte er wie ein kleiner Junge, der seine Mutter furchtbar geärgert hatte. Obwohl er nicht wirklich zitterte, mochte es so erscheinen, denn sein Gesicht war vor Entsetzen kreideweiß geworden. Und wie eine Mutter, eine furchtbare, unbarmherzige Mutter, die ihr dort vor ihr stehendes Kind nicht mehr lieben und schützen wollte, winkte Bosco ihm ungeduldig zu, die Sache endlich hinter sich zu bringen.
    Eine grauenhafte Vorahnung breitete sich sofort in der Versammlung aus. Haldera bekannte sich zu seinen furchtbaren Sünden im Hinblick auf seine Verbindung zur antagonistischen Ketzerei, und die Worte kamen ihm so blass über die Lippen, wie sein Gesicht aussah, und dass er sich auch zu seiner herzzerreißenden Schande mit anderen verschworen habe. »Nenn bloß keine Zahlen«, hatte ihm Bosco eingeschärft. »Ich will, dass alle alarmiert sind– ich will, dass sie den Wind spüren, den die Flügel des Todesengels erzeugen, wenn er über sie hinwegfliegt. Oder auch nicht.«
    Einen Namen nach dem anderen las er stotternd von der Liste ab, mit vielen ängstlichen Seitenblicken auf Bosco, der nun zutiefst bekümmert, verraten und sogar den Tränen nahe schien, Namen, deren Träger nun die Zahl ihrer Atemzüge auf dieser Erde zählen konnten: Vert, Stone, Debau, Harwood, Jones, Porter, Masson, Finistaire. Und jedem, der aufgerufen wurde, wich das Blut aus dem Gesicht. Die meisten standen ohne Widerspruch auf und traten aus ihren Kirchenbänken, als ob sie durch unterwürfige Gefügsamkeit das grausige Urteil noch mildern könnten. Die glücklicheren Beobachter neben ihnen zuckten vor jeder Berührung mit ihnen zurück, als ob ihr Schicksal eine ansteckende Krankheit sei. Im Mittelgang warteten strenge Religionspolizisten auf sie und führten sie nach draußen. Doch noch bevor sie durch die Tür waren, wurde schon der nächste Name aufgerufen. Und so ging es weiter– in entsetztem Gehorsam und nur gelegentlicher Verwirrung. »Nein, er doch nicht. Wir kennen doch Frederick Taverner gut– er ist kein Verräter.« »Bitte verzeiht, Bruder, aber ich muss Euch bitten, Euch wieder zu setzen.« Der beschuldigte und sofort wieder freigelassene Taverner jedoch erlitt einen Schock, von dem er sich nie mehr vollständig erholte. Der Rest der Versammlung registrierte den Fehler und begann zu grübeln, was wohl einem selbst bevorstehen mochte.
    Die aus der Versammlung herausgepickten Männer wurden in einen großen Raum gebracht, der etwa fünfzig Schritt entfernt war, wo sie sich bis zur Hüfte entkleiden mussten. Brzica war aus der Ordensburg hierher beordert worden, um die erforderlich werdende große Zahl von Hinrichtungen zu leiten. Aber da es für einen einzigen Henker zu viele waren, hatte man ihm zahlreiche Helfer zur Verfügung gestellt. Empfindlich, wie er im Hinblick auf die Feinheiten seiner Kunst nun einmal war, hatte er sich darüber beschwert, dass die Helfer unmöglich über genügend Geschick verfügen könnten.
    »Sie bringen mein Mysterium in Verruf«, beklagte er sich bei Gil mit dem typischen Egoismus aller Experten.
    Jonathon Brigade war, was seine Begabung anging, weniger eitel. Voller Erregung hatte er die Inspiration für einen neuen Plan empfangen, wie ein Dichter, der durch Fehlschläge an seiner Kunst verzweifelt und nun einer plötzlichen Eingebung oder einem Schlüsselerlebnis folgt, das ihn wieder auf die richtige Spur bringt. Brigade, Sohn eines Baumeisters, sah nicht ohne Missbilligung, dass man Gerüste über drei Stockwerke hoch errichtet hatte, auf denen die Steine der Maurer lagen, denen man allerdings befohlen hatte, die Arbeit ruhen zu

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