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Die letzten Gerechten: Roman (German Edition)

Die letzten Gerechten: Roman (German Edition)

Titel: Die letzten Gerechten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Hoffman
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bewahrte, weil er neugierig war, in allen Einzelheiten zu erfahren, was mit Parsi geschehen war.
    Gil musste selbst erschrocken nach Luft schnappen, als die Bogenschützen den Pfeilhagel abschossen und er die furchtbare und zugleich doch schöne und anmutige bogenförmige Bewegung sah, als sie über den Himmel auf den unsichtbaren, vor sich hin murmelnden Prälaten im Kreuzgang niedergingen. Wie sich herausstellte, hatte Gil die Sache zwar richtig berechnet, aber die Sache funktionierte trotzdem nur mit knapper Not. Parsi wurde nämlich nur von drei Pfeilen getroffen, die am äußersten Rand der Pfeilwolke flogen. Einer traf ihn in den Fuß, der zweite in den Unterleib, der dritte in den Bauch. Der schockierte Aufschrei und das Schmerzensgeheul drangen Gil an die Ohren, als er gerade vom Turm herabstieg, um zu verschwinden. Aber solche Schmerzen konnte jede Wunde hervorbringen. Er konnte sich erst vergewissern, als er mehr als vier Stunden später den Augenzeugen vom Tod gerettet hatte, einen Novizen, der sich sträflicherweise im Kreuzgang hingesetzt hatte, während sein Herr das Brevier las.
    Vierhundert Schritt entfernt wartete ein gereizter Moseby in einem Raum, der Boscos Vorstellung von einer Abstellkammer ziemlich nahekam. Moseby war es längst nicht mehr gewohnt, auf diese Weise behandelt und im Ungewissen belassen zu werden, und war daher entschlossen, Bosco in höchst erzürntem Ton daran zu erinnern, mit wem er es hier zu tun habe, sobald sich eine Gelegenheit ergab. Der Raum war klein und hatte ein einziges Fenster, das so hoch gelegen war, dass man nicht hinaussehen konnte; außerdem befand er sich so weit von den Verhaftungen und der Schlächterei entfernt, wie es nur ging. Moseby bat einen Bediensteten höflich um ein Getränk– er hatte es schon immer für ein Zeichen der Unfähigkeit gehalten, Dienern gegenüber grob zu sein–, und bald darauf kehrte Brzica mit einem Krug Wasser zurück. Während sich Brzica hinter Moseby mit Krug und Becher zu schaffen machte, kam ein Mönch herein, der eine vage Ähnlichkeit mit Bosco hatte, und Moseby blickte auf. »Ich muss schon sagen…«, begann er, aber was er sagen musste, ging seiner Nachwelt für immer verloren, als ihn Brzica am Schopf packte und ihm die Kehle durchschnitt.
    Mittlerweile beschlichen Jonathon Brigade leise Zweifel, dass es sinnvoll sei, noch viel länger nach einem idealen Ort für den Mord zu suchen; trotzdem glaubte er, dass er nur noch ein klein wenig weitersuchen müsse, um genau den richtigen Ort zu finden. Doch die ganze Zeit ging ihm eine kleine Stimme, ganz gewiss nicht die seines Gewissens, auf die Nerven, die ihm zuflüsterte, zu seinem ursprünglichen Plan zurückzukehren, so unbefriedigend und riskant dieser auch sein mochte. Etwas ist besser als nichts. Sonst kommst du bei dieser Sache noch selber ums Leben. Hör auf! Aber er konnte nicht– ständig dieses Gefühl, dass er nur noch ein wenig weitergehen müsse, um die Lösung zu finden. Und dann ging die Tür direkt vor ihm auf– und er stand dem Bruder Kardinal Gant höchstpersönlich gegenüber, der sich allerdings in Begleitung von einem runden Dutzend Priester befand. Sie starrten einander einen Augenblick lang an, während Gant versuchte, Brigades Gesicht einzuordnen, was ihm jedoch nicht gelang. Brigades Verstand setzte momentan vollkommen aus, aber jede Zelle seines Körpers war auf instinktives Töten ausgerichtet. Unterwürfig trat er ein paar Schritte vor, sodass Gant gezwungen war, im Türrahmen stehen zu bleiben, wobei der Durchgang hinter ihm von den Priestern versperrt wurde. Dann schoss Brigade ein plötzlicher Gedanke durch den Kopf– »Eine Wahrheit, wird sie in übler Absicht gesprochen, wird von keiner Lüge der Welt übertroffen.«
    »Monsignore«, sagte Brigade, »ein Attentäter ist auf dem Weg, um Euch zu ermorden. Bitte folgt mir.« Er nahm ihn sanft am Arm und lächelte den Priestern zu. »Bitte wartet hier, bis Bruder Gant euch holen lässt. Verteidigt diesen Eingang mit eurem Leben.« Dann schloss er ihnen die Tür vor den Nasen, packte Gants Arm nun mit sehr viel härterem Griff und zerrte ihn immer schneller die Treppe hinunter, bis sie auf einem breiten Treppenabsatz ankamen. Hier packte er Gant mit beiden Händen an den Schultern und stieß den jetzt lautstark protestierenden Erlöserkardinal blitzschnell durch ein großes Fenster, das in tausend Scherben zersplitterte. Der große Prälat stürzte schreiend fünfzig Fuß auf das

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