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Die letzten Gerechten: Roman (German Edition)

Die letzten Gerechten: Roman (German Edition)

Titel: Die letzten Gerechten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Hoffman
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wählte, ließ sie misstrauisch und noch wachsamer werden. Erst ein paar Stunden, bevor der Tigerberg am Horizont auftauchte, wurde IdrisPukke allmählich klar, wohin sie zogen. Aber er war überrascht, als er feststellte, wie verblüfft die beiden Jungen auf die Neuigkeit reagierten.
    »Es ist der heiligste aller Orte im Guten Buch«, sagte Henri.
    »Ich dachte, ihr glaubt nicht mehr daran?«, fragte IdrisPukke.
    »Wer sagt, dass wir daran glauben?« In den letzten paar Tagen war Kleist empfindlicher als sonst gewesen.
    »Darum geht es nicht«, erwiderte Henri. »Aber von diesem Ort haben wir unser ganzes Leben lang gehört. Auf diesem Berg sprach Gott zu Priester Johannes. Jiftach opferte dem Herrn dort seine einzige Tochter.«
    »Was?«
    Die beiden Jungen erzählten ihm die ganze Geschichte, die sie so oft zu hören bekommen hatten, dass sie ihnen längst nicht mehr als wirkliches Ereignis mit wirklichen Menschen vorkam– mit einem nicht allzu scharfen Messer und einer Zwölfjährigen, die willig ihr Haupt auf einen runden Stein legte.
    »Ach du meine Güte«, sagte IdrisPukke, als sie geendet hatten.
    »Und dort brachte Satan den Gehenkten Erlöser in Versuchung, indem er ihm die Macht über die ganze Welt anbot. Ich habe mal eine ordentliche Tracht Prügel bezogen, weil ich darauf hinwies, dass der Satan ein rechter Schwachkopf gewesen sein musste.«
    »Und warum?«
    »Was für einen Sinn hat es denn, jemandem etwas anzubieten, das er gar nicht haben will?«
    Boscos neue Marschrichtung kam so unerwartet, dass die Verfolger zwei Tage lang sehr wenig Wasser und überhaupt keine Nahrung hatten. Aber Kleist erlegte einen Fuchs. Sie warteten mit knurrenden Mägen darauf, dass er gar wurde.
    »Ist er nicht endlich fertig?«
    »Lieber noch ein bisschen warten«, sagte Kleist. »Halbgares Fuchsfleisch sollte man nun wirklich nicht essen.«
    IdrisPukke wollte überhaupt keinen Fuchs essen, weder gar noch halbgar. Als der Braten endlich bereit war, schnitt Kleist ihn in drei gleiche Teile, wobei dies kein leichtes Unterfangen war. Vollständig gleiche Aufteilung war unter den Zöglingen ein ehernes Gesetz gewesen, welches besagte, dass derjenige, der die Nahrung zuwies, den kleinsten Teil erhielt, eine Einsicht in die menschliche Natur, die, wäre sie auf andere und wichtigere Angelegenheiten angewandt worden, den Lauf der Weltgeschichte grundlegend verändert hätte. IdrisPukke betrachtete sein gleiches Drittel des knusprig gebratenen Tieres noch, als die beiden anderen schon fast fertig gegessen hatten, obwohl sie noch eine gute halbe Stunde mit dem Aussaugen des Knochenmarks beschäftigt sein würden.
    »Wie schmeckt es?«, fragte IdrisPukke schließlich.
    »Gut«, antwortete Henri.
    »Ich meine, wonach schmeckt es?«
    Henri blickte nachdenklich auf, bemüht, einen möglichst genauen Vergleich zu finden.
    »Ein bisschen wie Hund.«
    Doch als IdrisPukke zu essen begann, erinnerte ihn der Geschmack eher an Schweinefleisch, das in Schmieröl gebraten worden war, wenn Schmieröl ungefähr so schmeckte, wie es roch. Als er dann mit vollem, aber unruhigem Magen einschlief, schien es ihm, als träumte er die ganze Nacht von Teekannen, die pulsartig am Nachthimmel flimmerten. Er erwachte noch vor der Morgendämmerung, durch einen wütend fluchenden Henri aus dem Schlaf gerissen.
    »Was ist denn los?«
    Henri griff nach einem Stein und schleuderte ihn voller Wut vor sich auf die Erde.
    »Dieser Scheißkerl Kleist! Er ist abgehauen, der verräterische Hund.«
    »Bist du sicher, dass er nicht nur irgendwo sein Wasser abschlägt oder ein wenig allein sein will?«
    »Sehe ich wie ein Vollidiot aus?«, fragte Henri gereizt. »Er hat sein ganzes Zeug mitgenommen.« Er rief noch minutenlang jede Menge Verwünschungen über Kleist aus, hob schließlich denselben Stein noch einmal auf und schleuderte ihn mit einem letzten Wutanfall weit von sich, dann setzte er sich aufrecht hin und brütete schweigend vor sich hin.
    IdrisPukke ließ ihn eine Weile in Ruhe, doch dann fragte er ihn, warum er so wütend war. Henri starrte ihn an, sowohl verärgert als auch verwirrt.
    »Er hat uns hängenlassen.«
    »Warum?«
    »Ist doch…«, Henri konnte offenbar keinen genauen Grund nennen, »…klar, warum.«
    »Vielleicht. Aber warum sollte er uns nicht hängenlassen dürfen?«
    »Weil er doch angeblich mein Freund ist– und Freunde lassen einander nicht im Stich.«
    »Aber Cale ist nicht sein Freund. Das habe ich ihn oft sagen hören. Und ich kann

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