Die letzten Gerechten: Roman (German Edition)
Kopfsteinpflaster hinunter, wo er mit dumpfem Geräusch aufschlug, während die Fensterscherben um ihn herum auf das Pflaster prasselten. Ein kurzer Blick hinunter, und schon ergriff Brigade die Flucht, raste die Treppe hinab und brüllte immer wieder: »Feurio! Feurio!«
Dies war der berühmte Erste Fenstersturz im Palast des Heiligen Besonderen zu Chartres. Der Zweite ist eine ganz andere Geschichte.
Was für ein Tag!
Gewaltig. Rachsüchtig. Furchtbar. Grausam. Tragisch. Kein Wort, und sei die Liste noch so lang, konnte das Grauen und das brutale Drama der verlorenen Leben und der gewonnenen Reiche beschreiben. Es gab möglicherweise weniger als fünfzehnhundert Erlöser, die hinzurichten waren, aber die Exekutionen mussten schnell erfolgen, und das stellte sogar einen einschlägig erfahrenen Mann wie Brzica vor eine gewaltige Herausforderung, genau wie den eher zögerlichen, aber im Grunde doch entschlossen handelnden Gil. Denn fünfzehnhundert Männer zu töten, die weder durch Hunger entkräftet noch durch monatelange Haft im Dunkeln oder in eisiger Kälte demoralisiert waren, war eine seltene Sache. Brzica hatte nicht einmal Assistenten, um diese Zahl bewältigen zu können; normalerweise brauchte er sie auch gar nicht. Diese Angelegenheit versprach also sowohl für Brzica als auch für Gil verdammt schwierig zu werden.
»Habt Ihr jemals auch nur einer Taube die Kehle durchgeschnitten?«, wollte Brzica von Gil wissen.
»Nein.«
»Als ich noch ein Junge auf dem Bauernhof meines Vaters war«, fuhr Brzica düster fort, »sagte er mir immer, dass es zwei Jahre dauere, um zu lernen, wie man ein Schwein schlachtet. Einen Menschen umzubringen ist noch viel schwerer.«
»Ich habe Euch erfahrene Männer gebracht. Sie wissen, warum das nötig ist.«
Brzica grunzte mit der verächtlichen Ungeduld eines Mannes, dessen große Begabung wieder einmal verkannt wurde.
»Es gibt nichts Vergleichbares… nicht einmal, wenn man einen Feind in einer Schlacht tötet oder einen Kameraden tötet, der während der Schlacht zu desertieren versucht. Alles hat seinen eigenen Rhythmus, seine eigenen Gründe, Besonderheiten und Techniken. Nur wenige sind geeignet, kaltblütig und ständig zu töten– und schon gar nicht die eigenen Leute. Aber das, denke ich, werdet Ihr mir wohl nicht glauben.«
»Ihr wirkt auf mich überzeugender, als Ihr Euch selbst zubilligt, Bruder«, antwortete Gil. »Aber ich bin sicher, unter Eurer Führung werden wir es schaffen.«
»Ah, Ihr seid also sicher?«
Und sie schafften es auch, aber es war eine grimmige Angelegenheit. Zuerst beruhigte Gil die Gefangenen, die in Gruppen von je dreihundert Mann in einem halben Dutzend Hallen gefangen gehalten wurden, dass sie nichts zu befürchten hätten, sofern sie sich nicht der Beteiligung am antagonistischen Aufstand der Fünften Kolonne schuldig gemacht hätten. Allerdings sei es leider unvermeidlich, alle einzeln zu befragen, um die wenigen herauszufiltern, die tatsächlich involviert gewesen seien. Aber es sei nun einmal, wie alle sicherlich einsähen, nötig, dass diese Befragung durchgeführt werden müsse, bevor man die überwältigende Mehrheit wieder in die Freiheit entlassen könne. Ferner bitte er um ihr Verständnis, dass man sie an Händen und Füßen fesseln müsse, doch das werde unter Beachtung der Tatsache geschehen, dass eine große Zahl von ihnen unschuldig sei. Er bat um ihre Kooperation in diesen Zeiten der größten Krise des Glaubens. Um seine Aufrichtigkeit unter Beweis zu stellen, ließ sich Gil selbst an den Händen– locker– fesseln sowie– ebenfalls locker– an den Füßen. Dann schlurfte er demütig aus dem Raum. Auf diese Weise beruhigt ließen sich die Erlösermönche fesseln und in Zehnergruppen aus der Halle führen. Die erste Gruppe wurde in den nahen Innenhof geleitet, wo Brzica und seine vier Assistenten die Männer in die Knie zwangen und ihnen die Kehlen durchschnitten, beobachtet von Gils Auserwählten.
Ursprünglich erwiesen sich Brzicas unheilvolle Prophezeiungen als zutreffend. Dass die Massenexekution nicht in einem Fiasko endete, war nur zwei Tatsachen zu verdanken, nämlich dass Gil die Opfer so geschickt vorbereitet hatte und dass sie gefesselt waren. Denn die unerfahrenen Henkersgehilfen stellten alsbald fest, dass man für das Durchschneiden einer Menschenkehle mit tödlicher Wirkung mehr Geschick und Genauigkeit benötigte, als sie vom Schlachtfeld her gewohnt waren. Brzica rettete den Tag mit einer
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