Die letzten Gerechten: Roman (German Edition)
lang.
»Wie viele von uns sind heute gefallen?«
Cale überlegte, ob er ihn belügen sollte. »Achttausend. Ungefähr.«
Das schien selbst Fanshawe zu schockieren. Er wurde blass und sagte eine ganze Weile nichts mehr.
»Ich will aufrichtig mit Euch sein.«
Cale lachte.
»Nein, wirklich. So viele Männer können wir in zwanzig Jahren nicht ersetzen. Wir brauchen diese fünfhundert Mann zuhause, jeden Einzelnen von ihnen. Es wird keine Rachefeldzüge geben.«
»Es ist mir völlig egal, was Ihr macht, wenn Ihr erst mal die Grenze überquert habt, solange Ihr mich und zweihundert meiner Männer mit Euch nehmt. Das ist unsere Abmachung. Ich lasse alle Gefangenen frei. Ihr sorgt dafür, dass wir sicher über die Grenze gelangen.«
»Wären meine Hände nicht gefesselt, würde ich Eure Hand schütteln.«
»Vergesst es.«
»Ich bin einverstanden«, log Fanshawe.
»Ich bin auch einverstanden«, log Cale seinerseits. Sie besprachen noch ein paar Einzelheiten, dann ließ Cale Fanshawe zu den anderen Lakoniern zurückbringen.
Cale erklärte Vague Henri die Abmachung, dann ging er zu den Purgatoren, die die Lakonier bewachten, und sorgte dafür, dass sich ihre Aufmerksamkeit beträchtlich verringerte. Die Gefangenen hockten in einer Einfriedung, die sonst höchstens fünfzig Gefangene aufnehmen konnte– für die Erlösermönche waren Kriegsgefangene normalerweise kein Problem. Die Purgatoren wurden durch Köche, Schreiberlinge und sonstige hochgradig ungeeignete Personen ersetzt, und dasselbe geschah auch mit den Soldaten, die die Pferde der Lakonier bewachten, da diese die Tiere für ihre Flucht benötigten. Cale verkündete, dass eine Siegesfeier stattfinden solle, und zwar so weit wie möglich von der Umzäunung entfernt, und lieferte dazu so viel süßen Sherry, wie beschafft werden konnte.
Die Flucht selbst verlief so unspektakulär, wie man nur hatte hoffen können, allerdings nicht für die armen Köche und Flaschenwäscher, über deren Schicksal hier leider nichts weiter gesagt werden darf. Henri traf auf Fanshawe, als dieser über die Palisaden stieg, gefolgt von ungefähr fünfhundert Lakoniern, die er in der Nacht von den Fesseln befreit hatte, und zwar mithilfe des Messers, das Cale ihm geschenkt hatte. Still und leise schlichen sie zu den unglücklichen Pferdewächtern hinüber, und schon zehn Minuten später führten sie ihre Reittiere vom Erlöserlager weg und auf die Golanhöhen zu, wobei sie die Schlachtstätte überquerten, auf der sie erst kürzlich eine so verheerende Niederlage erlitten hatten.
Es herrschte bereits helles Tageslicht, als die Flucht endlich entdeckt wurde. Das hatte damit zu tun, dass man sich nicht hatte einigen können, wer die Nachtwachen hätte übernehmen sollen. Als Cale darüber informiert wurde, spielte er den Wütenden und drohte jedem, der dafür verantwortlich war, jede nur denkbare Art von Folter und Tod an; dann befahl er den Purgatoren, sofort mit den Vorbereitungen für die Verfolgung der Lakonier zu beginnen, die er selbst anführen wolle, um diesen Fleck auf dem reinen Kleid seines Ruhmes höchstpersönlich zu beseitigen. Gut möglich, dass die Sache einigen merkwürdig und rätselhaft vorkam, aber es wurden keine Fragen gestellt. Um neun Uhr galoppierten Cale, Henri und ungefähr zweihundert Purgatoren aus dem Lager, um die Flüchtigen zu verfolgen, wobei sie einen Ballast an Proviant mit sich schleppten, der unter anderen Umständen als für eine Verfolgung dieser Art verdächtig umfangreich erschienen wäre.
Gil oder Bosco hätten zweifellos auch gefragt, warum Cale Hooke mit sich nahm, eine Person, die bei einer solchen Verfolgungsjagd keinerlei Wert für ihn haben konnte. Kurz bevor Cale abritt, traf eine Botschaft von Bosco ein, der ihm zu seinem Sieg gratulierte, die Ereignisse in Chartres kurz schilderte und ihm die sofortige Rückkehr befahl, sobald es sein Sieg zulasse. Cale reichte Henri den Brief weiter.
»Seltsam. Ich frage mich, was dort vor sich geht.«
»Hoffen wir doch einfach, es nie selbst herausfinden zu müssen.«
»Wirst du ihm antworten?«
»Wird wohl besser sein.«
Cale schrieb hastig eine Antwort, befahl jedoch dem Boten, erst am folgenden Morgen loszureiten. Was er schrieb war gelogen, aber, wie es seine Art war, mit so viel Wahrheit wie möglich vermischt: dass eine gewisse Anzahl von Lakoniern entkommen sei, und er nun befürchte, sie könnten sich mit den aus der Schlacht Geflohenen vereinigen und erneut angreifen. Deshalb
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