Die letzten Gerechten: Roman (German Edition)
Männer, die gemeinsam mit euch gelitten hatten, nicht nur in der Schlacht, sondern auch im Haus für Sonderbehandlungen. Dieser Brief versucht, uns auf die Seite einer Verschwörung gegen den Papst zu ziehen, den wir alle lieben, und bei der alle in seiner Umgebung, die ihm teuer sind, ermordet werden sollen. Der Eine Wahre Glaube soll in jene giftigen Lügen verwandelt werden, die Bosco trotz all seines Verrats nicht einmal niederzuschreiben wagt.«
Der Brief stammte nicht von Bosco, sondern war eine Fälschung, die Cale zusammen mit Henri verfasst hatte. Hätten die Purgatoren die Wahrheit über Boscos Verrat erfahren, so hätte dies wahrscheinlich auch Cales Ruf bei ihnen stark untergraben, aber der echte Brief implizierte dies noch deutlicher. Die Purgatoren hatten still zugehört; viele Gesichter waren blass geworden. Cale zählte die Namen der Männer auf, die inzwischen in Chartres gestorben waren – alle Namen stimmten, muss man hinzufügen –, und beobachtete aufmerksam jeden der Männer. Die Purgatoren standen wie zu Salzsäulen erstarrt und fragten sich, ob sie das Unglaubliche glauben sollten oder nicht.
»Ich habe euch hierher geführt, um euch nach diesem zweitägigen Ritt die Gelegenheit zu geben, euch frei zu entscheiden. Ihr müsst euch nicht an dasselbe Rad binden, an das ich gebunden bin, denn ich habe mich entschlossen, diese Schande nicht hinzunehmen. Jeder von euch muss seine Entscheidung selbst treffen: umzukehren oder mit mir wegzugehen. Ich verspreche euch hier, dass jeder, der diesen Kampf nicht ausfechten will, unbehelligt davonziehen kann. Ich werde ihn von seinem Eid entbinden und seinen Entlassungsbrief persönlich unterzeichnen. Zehn Dollar wird jeder, der geht, erhalten. Denn angesichts dieser furchtbaren Spaltung unseres Glaubens möchte ich nicht neben einem Mann sterben müssen, dessen Gewissen ihm nicht befiehlt, gemeinsam mit uns zu sterben. Lest diesen Brief!«, rief er und wedelte erneut mit dem Papier. »Wenn sein Inhalt nicht euer Blut in Stein verwandelt, trefft eure Entscheidung. Ich habe euch einmal das Leben gerettet, und jeder Einzelne von euch hat es mir mehrfach zurückgezahlt. Wer mit mir geht, wird mein Bruder sein– wer sich abwendet, wird trotz seiner Entscheidung für immer mein Freund bleiben. Ich trete nun zur Seite. Lest den Brief, und trefft eure Entscheidung, aber beeilt euch damit– unsere Flucht ist inzwischen bemerkt worden, und die Hunde schnüffeln schon an unserer Spur.«
Mit diesen Worten sprang er vom Felsen herab, reichte dem nächststehenden Purgator den Brief, ging zu Henri auf den Erdhügel hinüber und setzte sich neben ihm ins Gras.
»Was machst du«, fragte Henri, »wenn sich ein Teil von ihnen entschließt, wieder umzukehren?«
»Warum nicht alle?«
»Um sich durch zänkische Priester und ihre Bluthunde zu kämpfen, nur um dann die Chance zu bekommen, an die Tür des Schlachthauses Chartres klopfen zu dürfen?«
»Sie haben den Brief.«
»Und der entspricht fast der Wahrheit.«
Sie beobachteten die Purgatoren, die miteinander redeten und den Brief lasen und wieder redeten und wieder lasen.
»Gute Rede«, bemerkte Henri.
»Danke.«
»Aber nicht von dir.«
»Habe sie in einem Buch in Boscos Bibliothek gefunden.«
»Weißt du noch den Namen?«
»Nicht des Autors, aber der Titel…«, Cale überlegte kurz, »liegt mir auf der Zunge…«
»Es war nicht sehr dankbar von dir…«, begann Henri.
»Tod den Franzosen«, unterbrach ihn Cale selbstzufrieden. »Genau, so hieß es.«
Am Ende zeigte sich, dass sich Vague Henri getäuscht hatte. Nur ungefähr zwanzig Purgatoren beschlossen umzukehren, was von der Mehrheit mit großer Feindseligkeit aufgenommen wurde. Cale verhinderte einen handgreiflichen Streit, der tatsächlich sehr blutig hätte ausgehen können, und genoss es geradezu, sein Versprechen– Geld und Freibrief– einzulösen. Der Ruf hoher Integrität, den er bei den Purgatoren genoss, war ihm lieb und teuer. Außerdem war es gut, wenn sie sahen, dass er in diesen Dingen ehrlich war, denn so würde sichergestellt, dass sie ihm auch weiterhin willig folgten. Als sie sahen, dass er tatsächlich sein Wort hielt, entschlossen sich drei weitere Purgatoren zur Umkehr. Fünf Minuten später waren sie ausgezahlt, packten ihre Sachen und ritten davon. Weitere fünf Minuten später ritten Cale und seine Männer– immer noch knapp über einhundertsechzig Purgatoren– in die entgegengesetzte Richtung los. Zuvor hatte er dafür
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