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Die letzten Gerechten: Roman (German Edition)

Die letzten Gerechten: Roman (German Edition)

Titel: Die letzten Gerechten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Hoffman
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sollten, sondern wie sie sind.
    »Ein Herrscher, der sich zu einem Abenteuer im Ausland entschließt, sollte immer den Weg der Eroberung durch Plünderung und nicht der Eroberung durch Landnahme beschreiten. Ein großer Anführer, der ein anderes Volk unterwirft, hat zwei Möglichkeiten: Er kann ihnen das gesamte Hab und Gut stehlen und sich dann wieder davonmachen. Oder er kann ihr Land seinem Reich einverleiben, voller Stolz auf die Landkarten an seiner Wand blicken und sich daran erfreuen, wie viele Stunden die Sonne über seinem Reich scheint. Das Problem mit der Besetzung eines anderen Landes ist nun allerdings, dass man dann auch das unterworfene Volk regieren muss. Man muss seine Wasserwege in Stand halten, damit es nicht verdurstet, man muss die Schlaglöcher in ihren Straßen auffüllen, man muss ihre Vorratsspeicher füllen, damit es nicht Hungers stirbt. Man muss ihre Streitigkeiten beilegen, und davon wird es gewöhnlich viele und viele tödliche geben, man muss den eigenen oder ihren Soldaten Sold zahlen, wenn die so sorgfältig ausgehandelten Abmachungen gebrochen werden, was fast immer der Fall ist. So mag man ein erobertes und besetztes Land mit einem ererbten großen Landsitz vergleichen– zunächst ist es wunderbar, sich an seinem Anblick zu erfreuen und es als großes Glück oder großen Segen zu betrachten, aber in Wirklichkeit bringt es nichts als Probleme und kostet Zeit, Geduld, Blut und Vermögen. Also lautet mein Rat: Besetzt nicht, sondern plündert!«
    Es waren die von Merk prophezeiten endlosen Streitigkeiten, die dazu führten, dass fünfhundert schlecht gelaunte Kriegermönche in die Ausläufer der Quantocks marschierten, um die zunehmenden Überfälle von Gebirgsbanditen auf die örtlichen Molosser-Gemeinden zu ahnden. Das Wetter war kalt und nass, es gab nur sehr wenig zu essen, weil die Molosser schon fast völlig ausgeplündert worden waren. Die Erlösermönche konnten nicht einsehen, warum ausgerechnet sie diese Entbehrungen auf sich nehmen und sogar noch ihr Leben aufs Spiel setzen mussten, um einem Volk zu helfen, das nicht einmal zu den Ketzern gehörte. Sie beteten zu den definitiv falschen Göttern, und nicht nur auf falsche Weise zum richtigen Gott, wie es die Antagonisten taten. Der neue Statthalter der Erlöser in Memphis hatte zwar nicht die Gewohnheit, seine Entscheidungen zu begründen, und tat dies auch in diesem Fall nicht, aber es gab ohnehin nicht viel zu erklären, denn seine Gründe für die Strafexpedition waren ausgesprochen schlicht: Memphis musste essen, und die Molosser lieferten der Stadt einen beträchtlichen Teil ihrer Nahrungsmittel. Deshalb waren die Überfälle dieser Gebirgsbanditen eine ziemlich ernste und ärgerliche Angelegenheit; außerdem übermittelten sie praktisch allen anderen unterworfenen Völkern die Botschaft, dass das Regime der Erlöser nicht sehr gut funktioniere, und zwar auf höchst offensichtliche Weise. Die Expedition sollte deshalb nicht nur die Ordnung wiederherstellen, sondern auch allen anderen klarmachen, was geschehen würde, wenn man die Erlöserregierung auf diese Weise herausforderte. Die Kriegermönche waren daher nicht als Polizisten gekommen, sondern sollten eine Strafaktion durchführen.
    Die Vorstellung, nichts zu tun zu haben, war für die Klephts eine durchaus angenehme, doch hegten sie eine tief verwurzelte Abneigung gegen die Vorstellung, nichts zu tun zu haben und dieser Untätigkeit an einem vorgeschriebenen Ort nachgehen zu müssen. Der Wachdienst wurde deshalb mit besonderer Abneigung betrachtet, und obwohl jeder, der jünger als vierzig Jahre war, irgendwann an die Reihe kommen musste, hatte sich ein bestimmter Brauch eingeschlichen, der im Umgang mit dieser Regel, wie Mary Sidney, Countess of Pembroke, zu sagen pflegte, »den Bruch mehr ehrt denn die Befolgung«. Mit anderen Worten: Wer über die Mittel verfügte, bezahlte andere dafür, der Pflicht zum Wachdienst an seiner Stelle nachzukommen, und gewöhnlich handelte es sich dabei um Leute, die zu faul, nutzlos oder dumm waren, um sich den Lebensunterhalt auf andere Weise zu verdienen. Und da nun so viele Wagemutige und Intelligente durch die gestiegene Zahl der Überfälle auf die Molosser-Gemeinden zu großem Reichtum gekommen waren, lief im Stamm mehr Geld um, sodass immer mehr Leute es sich leisten konnten, die unfähigsten Leute zu bestechen, damit sie sich im Winter in extremer Kälte auf einen Hügel stellten, wo nichts passierte und es auch nicht

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