Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die letzten Gerechten: Roman (German Edition)

Die letzten Gerechten: Roman (German Edition)

Titel: Die letzten Gerechten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Hoffman
Vom Netzwerk:
habe er befohlen, weitere Gräben für eine längere Verteidigung auszuheben; er selbst habe sich an die Verfolgung der Flüchtigen gemacht, um sie entweder völlig aufzureiben oder zumindest sicherzustellen, dass sie über die Grenze zurückkehrten und keine weiteren Angriffe auf Chartres ausführen konnten. Mit ein wenig Glück würde Bosco erst nach einigen Tagen herausfinden, was tatsächlich los war; er, Henri und Hooke würden bis dahin schon weit genug entfernt sein. Die ganze Sache hatte jedoch zwei Haken: zum einen die Gefahr, eine doppelt so große Truppe von Kriegern zu verfolgen, die noch dazu jeden denkbaren Anlass hatten, über die Verfolger herzufallen, wenn sie die Wahrheit erfuhren, und zum anderen die Frage, was er den Purgatoren sagen sollte, wenn sie herausfanden, dass sie nicht etwa wieder im Schoß des Erlöserordens willkommen geheißen werden würden, sondern im Gegenteil erneut zu Ausgestoßenen geworden waren.
    Cale hatte von Fanshawe verlangt, dass dieser in der zweiten Nacht der Flucht ein großes Lagerfeuer entzünden solle, damit er, Cale, die Position seiner Gegner erkennen könne, ohne ihnen bei Tageslicht zu nahe kommen zu müssen, denn zweifellos hätte es peinliche Nachfragen auf Seiten der Purgatoren ausgelöst, wenn er trotz Sichtkontakt nicht angegriffen hätte. Er schickte Henri zu dem Lagerfeuer voraus, und als dieser zurückkehrte, erfuhr er zu seiner Überraschung, dass Fanshawe sich tatsächlich an die Vereinbarung zu halten schien.
    »Hätte nie gedacht, dass er sich daran halten würde.«
    »Hat er aber, und auch nicht. Das Feuer brannte nicht in ihrem Lager– dort saßen nur zwei Lakonier.«
    »Er könnte also meilenweit entfernt sein.«
    »Könnte er, ist er aber nicht. Ich kam an, als sie gerade die Wächter beim Feuer wechselten, und folgte den Männern, die zum Trupp zurückkehrten. Fanshawe und seine Truppe sind ungefähr vier Meilen entfernt.«
    »Mörderische Schurken, und trotzdem halten sie Wort. Seltsamer Haufen.«
    »Wann wirst du es den Purgatoren erklären?«
    »Morgen. Wenn er uns nicht umbringt, haben wir dafür den ganzen Tag zur Verfügung.«
    »Lieber du als ich.«
    »Wenn ich es mir recht überlege, wird es für dich besser sein, dich aus der Sache herauszuhalten. Warte erst mal ab, wie es läuft. Läuft es schlecht, kannst du sofort abhauen– kannst das Fernglas mitnehmen.«
    »Das ist sehr großzügig.«
    »So bin ich eben mal– großzügig.«
    Beide lachten darüber. Henri sagte weder ja noch nein.
    Am nächsten Morgen, nachdem die Purgatoren ihr Frühstück gegessen hatten– es gab Haferschleim mit Trockenfrüchten, auf Cales Anordnung aufgekocht, als Alternative zu den »Eingeschlafenen Füßen«, die manche der Purgatoren immer noch bevorzugten–, rief er sie zusammen. Zehn Minuten zuvor hatte er gesehen, dass Henri mit kurzem Abschiedsnicken aus dem Lager geritten war. Gerade als Cale nun auf einen Felsbrocken stieg, um seine Ansprache an die Purgatoren zu halten, kam er ins Lager zurückgeritten und stieg ab. Nachdem er ihm kurz zugenickt hatte, starrte er ihn einfach ein paar Momente lang ausdruckslos an. Cale allerdings hatte nun andere Dinge im Kopf. Inzwischen begann er zu bereuen, dass er in der Nacht nicht einfach mit Henri davongeritten war. Andererseits standen die Chancen, dass es zwei Männer im Alleingang über eine derart massiv bewachte Grenze schaffen könnten, auch nicht gerade gut. War das, was er nun plante, wirklich die weniger schlechte seiner zwei Alternativen?
    »Ihr, meine werten Mitbrüder, kennt mich so gut, wie ich jeden Einzelnen von euch kenne. Bei allen Gelegenheiten«, log er munter, »habe ich euch alles aufrichtig gesagt, was unter den gegebenen Umständen gesagt werden durfte.«
    Es folgte zustimmendes Gemurmel.
    »Vor zwei Tagen jedoch habe ich euch belogen.«
    Wieder ein Gemurmel. Das war ziemlich gut, dachte Henri, der außer Sicht der Purgatoren auf einem kleinen Erdhügel am hinteren Rand der Menge im hohen Gras lag, den Finger am Sicherheitsbügel seiner Armbrust.
    »Aber es war eine Lüge, zu der ich mich nur entschloss, um euer Leben zu retten.« Er wedelte mit einem Papier, das so aussah wie der Brief, den er von Bosco erhalten hatte. »Das hier ist ein Brief, der giftiger ist als ein Skorpion, und er stammt von Bosco, einem Mann, dem ich mehr vertraute als meinem eigenen Leben, für dessen Wort ich euer Leben aufs Spiel gesetzt habe, wobei wir so viele verloren, die uns lieb und teuer waren,

Weitere Kostenlose Bücher