Die letzten Gerechten: Roman (German Edition)
Erlösermönche diese entsetzlichen Dinge begierig verschlingen, die sie zu lesen bekamen, doch die meisten von ihnen waren nicht so scheinheilig: Sie fühlten sich von dem Gelesenen wahrhaftig angewidert. Man mag überrascht sein, dass solche Männer überhaupt Gefühle wie Liebe empfinden konnten, aber so war es tatsächlich. Und Cale hatte den Papst gerettet, den sie alle liebten.
Bosco hatte seine Herrschaft über die militärische Zukunftselite des Erlöserordens zwar über mehrere Jahre hinweg aufgebaut, aber der so herbeigeführte Anstieg der Zahl der Klosterschüler war dennoch zu groß, um nun auch noch die neue Elite in der Ordensburg unterbringen zu können, so groß die Burg auch war. Erlösermönche mochten zwar im Allgemeinen keine großen Annehmlichkeiten im Leben erwarten, aber ein eigenes Zimmer, so klein es auch war, hatte in ihrem entbehrungsreichen Leben sehr große Bedeutung. Die vielen Einzelzellen im Haus für Sonderbehandlungen waren entstanden, als Wohnraum noch keinen Luxus dargestellt hatte. Bosco hatte daher beschlossen, das Haus von all jenen räumen zu lassen, die dort seit mehr oder weniger langer Zeit vor sich hin dämmerten. Im Verlauf der vergangenen Wochen hatte die Räumung in Form zahlreicher Exekutionen stattgefunden, um Platz für die Neuankömmlinge zu schaffen. Wie in allen geschlossenen Anstalten gab es auch in der Ordensburg furchtbare und unermüdlich neugierige Schwätzer. Es war unvermeidlich, dass über die Ankunft so vieler eindrucksvoll wirkender Soldaten spekuliert wurde, und im Rückblick wurde Bosco klar, dass er mehr Zeit hätte aufwenden müssen, um eine überzeugende Erklärung für die Anwesenheit der Elitetruppe in Umlauf zu bringen. Er musste sich daher auf die beträchtliche Intelligenz seines erfahrenen Kerkermeisters verlassen, der seine Befehle strikt auszuführen hatte, damit die Männer gut behandelt wurden. Der Kerkermeister brachte die Truppe im Nordflügel des Hauses für Sonderbehandlungen unter, in dem inzwischen als Folge der jüngsten Runde von Hinrichtungen der Gefangenen eine Menge Zellen frei geworden waren. Bosco ordnete an, dass die dreihundert Elitesoldaten hervorragend verpflegt wurden, und erklärte ihnen, dass der Nordflügel verschlossen bleiben müsse, um Neugierige fernzuhalten. Die Männer wussten, dass sie Auserwählte waren und dass Geheimhaltung entscheidend für ihr Überleben war, daher gab es keinen Widerspruch.
Danach verbrachte Bosco mehrere Stunden damit, einem größtenteils schweigenden Cale seine Absichten zu erläutern.
»Unter wessen Befehl werden sie gestellt?«, fragte Cale.
»Unter deinen.«
»Und unter wessen Befehl stehe ich?«
»Du bist keinem anderen Befehlshaber unterstellt– ganz gewiss nicht mir, falls du das meinst. Du bist der Fleisch gewordene Zorn Gottes. Du bildest dir nur ein, du seiest ein Mensch, und dass der Wille eines anderen Menschen für dich eine Rolle spiele. Weiche von deinem Wesen ab, und du wirst dich selbst vernichten. Deshalb wurdest du von Arbell Schwanenhals verraten und auch von ihrem Vater– obwohl du das Leben seiner Tochter gerettet und seinen einzigen Sohn zurückgerufen hast, was ebenso viel bedeutete, als hättest du ihn von den Toten zurückgebracht. Die Menschen sind nicht für dich da– und du bist nicht für die Menschen da. Tu das, wofür du hier bist, und du wirst zu deinem Vater im Himmel zurückkehren. Solltest du versuchen, etwas zu sein, das du niemals sein kannst, wirst du unweigerlich mehr Schmerzen und mehr Elend erleiden, als irgendein Geschöpf ertragen könnte.«
»Gebt mir Memphis.«
»Warum?«
»Was glaubt Ihr wohl?«
»Ach so«, sagte Bosco lächelnd. »Damit du es Stein um Stein zerstören und Salz in seine Grundmauern streuen kannst.«
»So ungefähr.«
»Dann soll es so sein. Schließlich lebst du dafür. Aber ich habe nicht die Verfügungsgewalt darüber, und deshalb hast auch du sie nicht. Wir brauchen ein Heer. Im Haus für Sonderbehandlungen schlafen die Männer, durch die wir das Heer aufbauen werden. Und selbst dann werde ich zuerst Papst werden müssen, bis du die Möglichkeit erhältst, Unglück in dieser Größenordnung hervorzurufen. Wie du inzwischen selbst bemerkt haben dürftest, gibt es nichts, das du für einen Mann oder eine Frau tun kannst, damit sie dich lieben. Die einzige Ausnahme bin ich selbst, Thomas, denn ich liebe dich.«
Und mit diesen Worten stand Bosco auf und verließ den Raum.
In derselben Nacht trat der
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